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688 S., 161 schw.-w. Abb. Ln.mS. *neuwertig*.
Bemerkung:
Mehr als hundert Jahre nach dem Tod des Wiener Künstlers und Schriftstellers Camillo Sitte (1843 bis 1903) erscheint jetzt die auf sechs Bände angelegte Gesamtausgabe seiner Schriften und Entwürfe. Sie zeigt den lange unterschätzten Lehrer und Architekten als Universalgelehrten, der zwischen Historismus und Moderne eine zentrale Vermittlerrolle spielte. Der Band I der Camillo Sitte Gesamtausgabe umfasst die Schriften zu Malerei, Musik, Bühnenbild, Handwerk, Volkskunst und Kunstgewerbe. In seinen Kunstkritiken für Wiener Tageszeitungen zeigt sich Sitte als unakademischer Autor, dessen journalistischer Schreibstil voller Pointen und Polemiken steckt. In diesen Aufsätzen zieht er sowohl gegen die historistische wie nazarenische Kunstauffassung zu Felde, wobei seine größte Aversion der Wiener Sezession gilt. Als Verehrer von Richard Wagners Gesamtkunstwerk tritt er massiv für den Landschaftsmaler Joseph Hoffmann ein, der die Uraufführungsszenographie für den Bayreuther "Ring" 1876 schuf. Als Gewerbelehrer widmet sich Sitte der Anpassung der kunstgewerblichen Produktion an die Herausforderungen der Industrialisierung. Dabei bleibt er stets künstlerisch-handwerklichen Gestaltungsprinzipien verpflichtet und entwirft Gestaltungskonzepte auf der Basis evolutionstheoretischer Erkenntnisse, die er auch formgeschichtlich auf Studien zur Schrift-, Möbel- und Ornamentgeschichte überträgt. Sein umfangreicher Bericht von der Pariser Weltausstellung 1878 ist ein bislang kaum bekanntes Dokument der Kulturgeschichte, das überraschende Einblicke in die damalige Rezeption des neuartigen Massenkonsums gibt.