Beschreibung:

IX, 472 S., Ill. Originalleinen.

Bemerkung:

Das Exemplar ist in einem sehr guten und sauberen Zustand ohne Anstreichungen. -- (Auszug:) VORREDE: Der Wunsch des kunstsinnigen Herrn Verlegers, ein Buch über D die Wandmalerei Pompejis dem gebildeten Publikum vorzulegen, würde mich vielleicht in anderer Zeit als der gegenwärtigen nicht gereizt haben. Eigene wissenschaftliche Untersuchungen auf dem schwierigen Gebiet der antiken Malerei waren mir bisher fern gelegen. Die Kunst der Vesuvstädte ist keine aus erster Hand, sie ist abgeleitet und beinahe ganz Kopie, ja nicht einmal oder nur selten Kopie von Meisterhand. Wo der unermeßliche Schatz der Originale griechischer Kunst, das eigenwillige Gesicht der römischen Kunst dem gebildeten modernen Leser noch unbekannt oder wieder fremd geworden sind, ist es nicht gelehrte Pflicht, zuerst dem wirklich Großen der Antike zu dienen, statt einer wenn auch im besten und größten Sinne des Wortes deko- rativen Kunst? Ich darf gestehen, daß ein doppelter Reiz der gestellten Aufgabe mich verführt hat. Mich lockte gerade das, was vielleicht einen anderen abgeschreckt hätte: die Unmodernität der pompejanischen Malerei. Beinahe alle Zeitalter der europäischen und nichteuropäischen Kunst sind nach einer glänzenden Epoche kunstgeschichtlich-philosophischer Forschung belastet mit großen modernen Theorien und Schlagworten. Die pompejanische Kunst aber gleicht einem verborgenen stillen, alt- modischen, wohlgepflegten Garten, an dem der ganze Sturm revo- lutionärer Begriffe und großer Worte vorbeigebraust ist, ohne ein einzig Blümchen auf seinen Beeten zu brechen. Laßt die Stürme und Erdbeben expressionistisch-vulkanische Gebirge erschaffen und Täler aushöhlen: wir aber begeben uns in eine ovidische Welt nicht ein- mal mit der Bitterkeit der epistolae ex ponto. Der andere lockende Reiz aber war der des bloßen Erzählens. Die gelehrte Literatur über Pompeji füllt nur mit den Titeln der Bücher und Abhandlungen viele Seiten. Aber merkwürdigerweise ist außer dem reizvollen Buche von G. Boissier, Promenades archéolo- giques kein einziges erzählendes darunter. Es ist gelehrte Literatur für den Gelehrten. Auch die kleinen Führer durch Pompeji, deren ersten, in gewissem Sinne klassischen, der unvergeßliche Mau verfaßt hat, sind mehr für den wissenden oder wissenwollenden Besucher der tot-lebendigen Stadt geschrieben als für den betrachtenden und genießenden. Überall kommt das Schönste, das Einzige, was sie, nur sie besitzt, zu kurz, die gemalten Wände und die Bilder. Und so ist es kein Wunder, daß in keiner Galerie der Welt sich die Gleichgültig- keit und Ununterrichtetheit, um nicht schärfere Worte zu wählen, des Besuchers so blamabel offenbart wie in dieser, die es nur einmal gibt, eben in Pompeji und in den Sälen der Gemälde aus den Vesuv- städten des Museums von Neapel. Freilich hat es nun mit dem archäologischen Erzählen seine Schwierigkeit, und hier beginnt der entschuldigende Teil der Vorrede. Auch die überreichen Funde aus den Vesuvstädten sind nur Bruch- stücke, unendlich kleine, aus dem enormen Besitz antiker Malerei noch der römischen Zeit des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, der als Ganzes unwiederbringlich verloren ist. Bruchstücke auch in dem Sinne, daß durch unsachgemäße Behandlung ein großer Teil des Ausgegrabenen wieder zugrunde gegangen ist. Wer von Bruchstücken erzählen soll, muß sie zusammensuchen, um ein Ganzes zu bieten, muß zu ergänzen suchen, was fehlt. Wer von einer abgeleiteten Kunst erzählen will, muß den Weg der Ableitung darstellen, der zu den verlorenen, mehr geahnten wie gekannten Originalen hinaufführt. Das Mittel, Fragment und Kopie zu verstehen, ist allein die wissenschaftliche Theorie [...].