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175Seiten; zahlr. Fotografien (auch farbig); 30,5 cm; fadengeh. Orig.-Leinenband mit farb. illustr. OUmschl.
Bemerkung:
Gutes Ex.; Umschlag mit kl. Läsuren u. berieben. - Mit illustr. Vorsätzen. - " ... Nie hätte es sich der bedeutende und damalsweit bekannte Autor Karl Philipp Moritz, als er irrte und in der regierungstreuen Vossischen Zeitung eine geradezu unflätige Kritik an der Berliner Aufführung des revolutionären Schillerschen Dramas "Kabale und Liebe" veröffentlichte, träumen lassen, daß auch Jahrzehnte später der Berliner auf Ignoranz und Unkenntnis mit dem höchst erstaunten Ausruf "Wie der kleine Moritz sich das vorstellt!" reagieren würde. Noch heute markiert jeder angeberische Hohlkopf "den dicken Wilhelm" nach dem Vorbild eines Hohenzollern, läuft der Berliner "bis in die Puppen", wenn er viel und weit laufen muß. Aber um 1900 waren es wirkliche Puppen, nämlich die 32 Denkmale verflossener Hohenzollern und 64 Hermenbüsten bedeutender Persönlichkeiten, die auf kaiserlichen Befehl in der Siegesallee aufgestellt worden waren. Das war ein Spaß, der wenigstens nichts kostete, des Sonntags "bis in die Puppen zu pilgern", das heißt in der Siegesallee spazierenzugehen. Und auf das "nichts kosten" sollte hier die Betonung gelegt werden; denn die kostspielige Anschaffung und Aufstellung der geschmacklosen Figuren erfolgte in dem bewegten Jahrzehnt vor 1900, das 1890 mit dem Fall des Sozialistengesetzes begann. Aus diesem Jahr besagt eine statistische Erhebung, daß es in Berlin 28 265 derfür diese Stadt typischen Kellerwohnungen gab, in denen 117 700 Menschen hausten. 73 Bewohner kamen im Durchschnitt auf ein Gebäude überhaupt. In der Ackerstraße, der Gegend der Ärmsten, wohnten auf einem Hausgrundstück sogar 1074. Für diese Bruchbuden zahlte der Arbeiter im Jahre 1894 so viel Miete, daß ein Viertel bis die Hälfte seines Einkommens dabei draufging. Infolge schwindelhafter Bodenspekulationen, denen staatlicherseits kein Riegel vorgeschoben wurde, war Berlin um 1900 die am dichtesten besiedelte Stadt der Welt geworden. In diesem Jahr 1890 trat in Berlin Robert Koch mit seinem Heilmittel Tuberkulin hervor. Bis dahin starb jeder zehnte Berliner an Tuberkulose. Das bewegte Jahrzehnt bis zur Vervollständigung der Puppenallee brachte der Stadt noch vieles mehr: die Flugversuche und den Absturz Lilienthals, die Elektrifizierung von drei Linien der Pferdebahn, die polizeiliche Genehmigung für das erste Auto in der Stadt, den Baubeginn der ersten U-Bahn-Strecke und die im wesentlichen beendete Anlage eines unterirdischen Kanalisationssystems, womit Gestank und Unrat aus den Straßen endlich beseitigt wurden. Es brachte auch den monatelangen Kampf der Brauereiarbeiter gegen die Berliner Großbrauereien, 1900 den ersten Streik Berliner Straßenbahner und den Ausbruch einer neuen schweren Wirtschaftskrise. Wen nimmt es da wunder, wenn das 1897 enthüllte und mit großem Pomp und vier Millionen Mark errichtete geschmacklose "Nationaldenkmal" des Kaisers (zerstört im zweiten Weltkrieg) mit seinen etwa 157 allegorischen Tierfiguren bald "Wilhelms Zoo" genannt wurde und die Berliner mit Freude konstatierten, daß dazu bei den Enthüllungsfeierlichkeiten noch das "Lied von der Wonnegans" gesungen wurde ("Fühl' in des Thrones Glanz die hohe Wonne ganz"). Ähnlich geschmacklos waren die Siegessäule und der neue Dom, der nach dreijähriger Bauzeit mit einer mächtigen Hauptkuppel von 115 Meter Höhe prangte, die von den Berlinern bald der "Gipfel der Geschmacklosigkeit" genannt wurde. Auch der "Gipfel der Geschmacklosigkeit" ist heute noch eine ebenso treffende wie beliebte Redewendung bei mancher Gelegenheit. Bis heute wirkt dieser Berliner Witz sprachschöpferisch ? " (Vorwort)