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ca. 44 Seiten Broschur
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Sehr gutes Exemplar, Einband mit leichten Gebrauchsspuren. - ?Man sagt, das Schwellenjahr 1990 in Ostdeutschland dauerte von November 1989 bis Oktober 1990, von der Grenzöffnung bis zur Wiedervereinigung. Das stimmt so nicht. Sofort nach der Öffnung begann der Ausverkauf des Landes, und genau genommen war schon im März die Schwelle überschritten. Denn nach der ersten und zugleich letzten demokratischen Volkskammerwahl (mit Sieg der von der CDU geführten Allianz für Deutschland) wurde die Treuhandanstalt gegründet. Sie verfügte über die Restwerte der Industriebetriebe, von denen es hieß, sie seien zu achtzig Prozent nicht überlebensfähig. Lagen sowohl positive wie negative Gutachten zur künftigen Entwicklung vor, wurde meist das negative umgesetzt, das heißt der Betrieb stillgelegt nach schneller Risikoübertragung durch einen symbolischen Verkauf. Wir konnten da im Allgemeinen nicht mithalten, denn wir hatten kein Kapital bilden können. Die schritt- weise Beendigung der Arbeitsverhältnisse brach den Alltag auf. Die einen hatten Schwellenangst, die anderen sprangen hin und her. Nach damaliger Schätzung verließen ca. eine Millionen Menschen 1989/90 Ostdeutschland, rund sechs Prozent der Bevölkerung. Es drohte der Exodus. Im Juli 1990 wurde das frühe Ende der kurzen Freiheit offen sichtbar, denn mit der Währungsunion hatten alle Leute die langersehnten Devisen in der Hand und begannen, sich nun anders zu verhalten. Die Arbeiter waren also mit Überleben beschäftigt, die Intellektuellen mit dem Dritten Weg, und nur den Habenichtsen schien die Sonne aus dem Arsch, da wir uns alle Freiheit nahmen. Schwellenjahr 1990 heißt, die DDR-Exekutive war fort und der Anschluss an die BRD noch nicht voll- zogen. Wir fühlten uns gewissermaßen staatenlos in einer gesellschaftlichen Zwischenzeit. In meinem Fall bekamen die Tage diese Form: Ich besetzte eine aufgelassene Wohnung in der Ernestistraße in Leipzig- Connewitz, schraubte zwei Ski gegen den offenen Fensterflügel und malte Bilder. Mit mir ins Haus zog ein Diebespärchen, Jürgen und Marion, viele Raufereien treibend. Sie stahlen einmal sogar Torten. Der Einzige, der einen Mietvertrag besaß, war der früh- pensionierte Trinker Bernd, der aber bald kein Wasser mehr hatte, denn Jürgen riss die Bleileitungen von der Wand und verkaufte sie als Schrott, nachdem "Klemmi" mit einem missratenen Erbspüree Bernds Abfluss- rohr verstopft hatte. ("Haste kein' Abfluss, brauchste auch kein Wasser.") Krauskopf und ich fuhren spätnachts in meiner weißen Ford Taunus 1,6 Limousine in die Parkanlage des Völkerschlachtdenkmals und dort - streng verboten die flachen Treppenstufen hinunter zum Stichlingsteich. Die fehlende uniforme Antwort auf diesen Ordnungsverstoß ließ mich spüren, wie sehr mein inneres Format noch vom Abdruck der ehemals nahtlos ansetzenden Staatsmacht abhing. Die DDR war 23 Jahre mein Habitat gewesen. Fasziniert fuhr ich in die dunkle Leere.? ISBN 9783862068470