Beschreibung:

157 S.: Abb. Originalhardcover.

Bemerkung:

Ein sehr gutes Exemplar. - VORWORT »Maler und Grafiker« hatte Walter Stöhrer unter seinem Namen auf einem Adressstempel stehen, hinweisend zum einen auf die Einheit von Malen, Zeichnen, Radieren, zum anderen auf die für ihn wichtigen, unterschiedlichen technischen und handwerklichen Gesichtspunkte. So sprach er auch lieber von einer Werkstatt als von einem Atelier. In der Werkstatt entstand im druckgrafischen Bereich ein wichtiges Radierwerk.' Dass es außerdem ein umfangreiches Konvolut an Original-Offsetlithografien gab, das weit mehr umfasst als die in der manus presse Stuttgart als Einzelblätter in Folge erschienenen Offsetlithografien Ménage à trois (1972.2) oder Mara l-V (1972.3), geriet bislang nicht in den Blick, paradoxerweise, denn Offsetlithografien sind die meist vervielfältigten Arbeiten Stöhrers, gut sichtbar als Plakate und vor allem in den Ausstellungskatalogen. Das hier vorliegende Verzeichnis erschließt nun diesen peripheren Teil des künstlerischen Werks. Es macht sichtbar auch, dass das Periphere für Stöhrer von Bedeutung war. Präsentiert werden in Abbildung und Beschreibung über 280 Original-Offsetlithografien aus dem Bestand der Walter Stöhrer Stiftung, die als Zustiftung aus dem Nachlass in den Besitz der Stiftung kamen: Offsetlithografien auf Einzelblättern, vom Künstler aus Einzelblättern zusammengestellte Hefte, Offsetlithografien auf Plakaten sowie in Mappen, Büchern und Ausstellungskatalogen.2 Frühe, in Eigendruck erschienene Offsetlithografien, die Stöhrer an wenige Freunde und Sammler abgab, konnte niemand kennen, denn sie waren, entgegen der technischen Möglichkeit des Drucks und der Logik des Verfahrens, nicht wirklich vervielfältigt worden, Andrucke auf holzhaltigem Papier oder Abzüge auf Handpressen. Dann folgten vor allem die in intensiven Arbeitsphasen der 1970er Jahre entstandenen Offsetlithografien, die in von Stöhrer gestalteten Ausstellungskatalogen erschienen sind, ohne jede Erwähnung der Arbeiten in den Impressi. Neben seiner Neugierde auf die technischen Möglichkeiten des neuen Verfahrens, ist es die Verbindung seiner künstlerischen Arbeit mit dem Vervielfältigungsprozess des Offsetdrucks, die Stöhrer reizt: eine Kunstproduktion bis zum letztmöglichen Moment, nicht Wiedergabe ausgestellter Exponate, sondern Neues, das nur in dieser Form besteht. Walter Aue schreibt: »Schön wäre es, die frühen Kataloge Stöhrers, für mich die hemmungslosesten, lustvollsten, unversöhnlichsten und herrlichsten Ausstellungskataloge, die es zwischen den sechziger und achtziger Jahren in Deutschland gegeben hat, einmal der Öffentlichkeit vorzustellen: Galerie Albrecht 1978, Malprozess Kissleg 1983, Galerie Aktuelle Kunst 1976, Berliner Künstlerprogramm 1979, vor allem die monumentalen Heftkataloge der Galerie Nothelfer 1976, der Galerie Lutz 1977 und der Schlosshofgalerie Kissleg 1976 mit Bukowski-Ge- dichten. Im wahrsten Sinne am >verrücktesten< ist das Zielinsky-Heft der Manus-Presse von 1972, in dem Stöhrer die schizophrenen Briefkasten-Texte des unbekannten Bruno Alois Zielinsky mit veröffentlichte. Die Bilder in diesen Katalogen in blutroter Farbe, Blau oder Schwarz. Stöhrers dionysische Vitalität der Zeichnung oder Handschrift ist bei allen rücksichtslos über die Doppelseiten hinweg >geschrieben<«.3 So finden sich in den bis 1979 erschienenen Katalogen, außer in denen der Galerien Danckert (1976.3) und AK (1977.1), auch keine Abbildungen ausgestellter Werke. Eine Produktion, die nicht auf den Markt zielte. Vielleicht vergleichbar seiner frühen Radierarbeit bis etwa 1964, die nicht auf Auflage gerichtet war. Von Ende Mai bis Mitte Juni 1962 hat Stöhrer eine Reihe Offsetlithografien geschaffen und einige davon in variierender Anordnung in Heften mit fünf bis sechs Drucken zusammengefasst. In das vorlie- gende Verzeichnis aufgenommen wurden die sich in der Stiftung befindenden Einzelblätter und Hefte aus dem Jahr 1962. Nicht in die Zählung eingegangen sind drei Künstlerhefte, eines Margot Fürst, zwei weitere Karl Ströher gewidmet, zu denen im Archiv keine Originale vorliegen, nur fotografische Reproduktionen. Es ist nicht auszuschließen, dass es weitere, nicht bekannt gewordene Einzelblätter gibt, sowie aus diesen und dem in der Stiftung vorhandenen Material zusammengestellte Hefte.4 Ausdrücklich aufgenommen, ohne der strikten Linie zu folgen, wurden in drei Fällen gerasterte Offsets (auch wenn Offsetlithografie nur dann Original-Offsetlithografie ist, wenn sie nicht gerastert und auf Film entwickelt wird, also direkt auf Platte gezeichnet ist). In einem Fall war ein Direktdruck von den Offsetplatten nicht möglich, und, um überhaupt die Arbeiten drucken zu können, blieb nur die Möglichkeit, diese zu belichten (1980.1). Für zwei Buchprojekte fertigte Stöhrer die Papierarbeiten eigens dafür an; diese wurden aufgenommen (1989.1, 1994.1). Walter Stöhrers Interesse am »Hand-Werk« des Druckens entstand an der Akademie Karlsruhe während des Studiums in der Fachklasse von HAP Grieshaber, in die er zum Wintersemester 1957/58 wechselte. Grieshaber, der sich als Drucker und Holzschneider verstand, schreibt: »Drucken ist eine Begegnung des Zufalls mit dem Sinnvollen. Drucken selbst ist das Erlebnis. Drucken ist der Rausch des Machens und gleichzeitig Kontrolle darüber...«5. Diese Einstellung gilt nicht allein dem Druck der Holzschnitte; für den Katalog Zum Kunstpreis der Jugend 1959 der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden verfasst Grieshaber ein Manifest: »>ln the years to corne the photo-offset process should become one of the important Creative tools of an artist.« Eugene Feldman, The Falcon Press« Eine Foto-Offset-Lithographie ist ein sachlicheres Vervielfältigungsmittel als der Siebdruck. Das Verfahren tut nicht künstlerisch, sondern reproduziert genau. Es hält - so wie ein Fotogramm die Realität umkippt ins Geistige - den Augenblick des Machens fest. Wir haben in Karlsruhe an der Akademie Benzin und Lösungsmittel auf vorgewalzte unbeschichtete Platten gegossen, mit Kugelschreibern darauf gezeichnet, und bei sensibilisierten Platten alles mögliche, Blumen, Schmutzflecken, miteinkopiert. Das hat uns viel Spaß gemacht. Was herauskam, war keine Graphik im eigentlichen Sinne, aber auch kein Fabrikat. Das Vervielfältigungsprodukt wirkt sogar unmittelbarer wie z.B. der Siebdruck oder eine Ätzung für den Hochdruck. Die Materie ist allerdings völlig weggewischt, geblieben ist der élan und das Lebensfluidum einer guten Stunde. Immerhin, für einen Katalog, in dem eine Generation sofort und unmittelbar da sein muß, ein besseres (und billigeres) Verfahren, als Zinkätzung und Autotypie.«6 Mit Begeisterung haben die Studenten in Karlsruhe das neue Druckverfahren aufgenommen - Stöhrers erste Offsetlithografien waren in diesem Künstlerbuch erschienen (1959.2). Nach dem Wintersemester 1959/1960 bricht er das Studium in Karlsruhe ab und geht nach Berlin. Die Druckwerkstätten an der Akademie Karlsruhe standen nach 1960 nicht mehr zur Verfügung, seine Radierungen auf Zinkplatten zieht er in seinen Weddinger Ateliers (Neue Hochstraße und Schulzendorfer Straße) auf einer Wäschemangel ab. Als um 1964 sein Interesse an der Radierarbeit erlischt, wendet er sich intensiver der Offsetlithografie zu, auch durch die Möglichkeit, in der Graphischen Werkstatt Berlin drucken zu können. Gedruckt werden dort das Künstlerbuch Bruno Schulz. Die Mannequins - WalterStöhrer. 55 Offsetlithografien (1965.1) und die Mappe Keep smiling mit 12 Offsetlithografien (1966.2). Wo Stöhrer die Offsetplatten der 1962er Jahre druckte, können wir nur vermuten. Der handschriftliche Vermerk »6 Exemplare Handdruck Offset-Lithografien« auf dem Deckblatt eines Künstlerheftes (1962.2) verweist auf eine Handpresse. Da Stöhrer die Mappe Keep Smiling in der Graphischen Werkstatt Berlin drucken ließ, die bereits 1962 von Dieter Pohlers gegründet wurde, könnten die Eigendrucke ebenfalls von dort stammen. Auch der Bruder Jörg Stöhrer in Rottweil besaß zeitweilig eine Rotaprint Druckmaschine; er hatte sich das Drucken autodidaktisch angeeignet. Die Bogen Zum Anlass der Berlin Reise 1962 für Walter (1962.8) und das Künstlerheft Jörg Stöhrer Gedichte/1962, 17. Juni (1962.9) wurden dort gedruckt. Und sicher sah Walter Stöhrer sehr genau den Unterschied im Druck von diesen zu einem professionell hergestellten Druck wie dem im Katalog der gruppe berlin 62 (1962.13). Fast immer fehlen zu den in Katalogen abgebildeten Offsetlithografien Angaben zur Druckerei.7 Während Stöhrer die Ende der 1960er Jahre wieder aufgenommene Arbeit an Radierungen kontinuierlich bis 1999 fortsetzt, bricht die Arbeit an Offsetlithografien nach 1985 ab. Zuvor schon hatte Stöhrer eine veränderte Form in der Verwendung der Offsetlithografie gewählt. Er integrierte im Arbeitsprozess des Malens verwendete Texte und fremdes Bildmaterial durch Überdruckverfahren in Ausstellungskatalogen (1982.3). Auch war die Offsetlithografie technisch limitiert, es gab quasi keine Halbtöne, auch démodé nach einer gewissen Laufzeit seit Warhol, und, möglicherweise entscheidender, die Idee der künstlerischen Präsenz in der Produktion vor dem Druckvorgang wich der Darstellung durch bloße Reproduktion. Sehen, ob es sich um eine Originaloffsetlithografie oder gerasterten Film handelt, war ohnehin nur möglich mit einem Fadenzähler. Was also zählte, war die Auffassung von Kunst. Walter Stöhrer durchlief aktiv die verschiedenen Stadien, das neue Medium Offset, Aktionen, die Frage der Reproduktion, Lithografie ist nicht mehr Steindruck, Lithografie als Aluplatte, als Folie, im Öffentlichen des Plakats, des Katalogs. Die Gestaltung des Bezugs eines Schmuckschubers (1989.1) und eine Abbildung im Buch Aus der Küche der Künste (1994.1), zwei Papierarbeiten, speziell dafür hergestellt und von Stöhrer entschieden als Originalgrafik bezeichnet, bilden den Schluss des Verzeichnisses. Die letzte Offsetlithografie, eine Übermalung, ist eine Hommage an Dieter Krieg, den Kollegen aus Karlsruher Akademiezeiten. Stöhrers Arbeiten waren Interventionen, und so wird hier, in einigen Fällen, auch der Kontext mitgezeigt: Umschläge der Publikationen, die Mappen, einzelne Seiten mit Fotomontagen, Abbildungen also, die, wie die der Zusammenarbeit mit Dieter Appelt, keine Offsetlithografien sind - sie sind sich ähnlich, technisch aber verschieden. ISBN 9783940048394