Beschreibung:

Unpaginiert [36 S.], zahlr. Abb., Beilage: Einladung zur Ausstellungseröffnung, 25. 10. 1984, Robert Wolfgang Schnell. Originalbroschur.

Bemerkung:

Aus dem Vorbesitz des antiautoritären Dokumentaristen Hans-Dieter Heilmann. - Ein tadelloses Exemplar. - Aus der Einleitung: Oranienstraße 27. Hinterhof Bezirk Kreuzberg. Nebenan ist die Blindenanstalt, zur andern Seite ein Bandagengeschäft. Dort also wird im Herbst 1959 eine Zinke eingekratzt, die Gutes verheißt: Geborgenheit, Freundschaft, keine Warnung vor Gefahr. Die Drei, die hier die Galerie ?zinke? gründen, Günter Anlauf, Günter Bruno Fuchs, Robert Wolfgang Schnell, sie wollen diesem Berliner Bezirk Kreuzberg Bilder, Geschichten, Plastiken und Gedichte nahebringen. Niemand unterstützt, niemand subventioniert sie. [...] In den niedrigen rauchverhangenen Zimmern fühlen sich Johannes Bobrowski, Manfred Bieler und Hermann Kant, aber auch Kusche, Sandberg und viele andere Ostberliner ebenso wohl wie die Westberliner Autoren und Maler. Die Bilder hängen an getünchten Wänden, die Plastiken stehen auf Kistensodceln. Der Berliner Realismus hat seine Galerie gefunden. Oder sollte es umgekehrt heißen: die Ausstellungen in der ?zinke? haben auf eine Tendenz der Berliner Künstler aufmerksam gemacht? Während der Lesungen stehen alle Besucher dichtgedrängt, es wird geraucht, getrunken, Literatur wird ohne Feierlichkeit dargeboten. Junge Autoren, unbekannte Autoren. Max Hölzers freundlich schlagfertige Kritik ist zu vernehmen, schon sieht man die Herren von den Sendern. Als Grass im Sommer 1960 Gedichte vorliest und in der ?zinke" seine Nonnen ausstellt, drängen sich die Zuhörer unten im Hof, die Anwohner lehnen aus den Fenstern, er sitzt rittlings auf der Brüstung im ersten Stock und genießt die ungewohnte Situation. [...] Als Anlauf, Fuchs und Schnell die Galerie im Hinterhof im Sommer 1962 schließen, weil Kreuzberg Mode geworden ist, weil die Ostberliner Freunde nicht mehr kommen können, weil alle drei Künstler sind, deren eigene Arbeit den Vorrang hat, ist kaum schon abzusehen, daß sie in der ?zinke" mitten in den Jahren des erbitterten Kalten Krieges den sehr berlinischen, schnoddrig phantastischen Realismus durchgesetzt haben, der seitdem nicht mehr aus der Nachkriegsentwicklung der Berliner Kunst und Literatur wegzudenken ist.