Preis:
18.00 EUR (kostenfreier Versand)
Preis inkl. Versand:
18.00 EUR
Alle Preisangaben inkl. USt
Verkauf durch:
Fundus-Online GbR
Daniel Borkert/Gilbert Schwarz/Urban Zerfaß
Kurfürstenstr. 14
10785 Berlin
DE
Zahlungsarten:
Rückgabemöglichkeit:
Ja (Weitere Details)
Versand:
Büchersendung / 1 Buch / book
Lieferzeit:
1 - 3 Werktage
Beschreibung:
231 S.: zahlr. Illustrationen u. Fotos sowie Beilagen, 23 cm, Hardcover m. Schutzumschlag.
Bemerkung:
Exemplar aus dem Vorbesitz des antiautoritären Dokumentaristen Hans-Dieter Heilmann mit seinen charakteristischen kleinen Anstreichungen und den ebenso charakteristischen Beilagen, Einband leicht berieben, sonst gut. . -- "Ich liebe es sehr, auszuschneiden" bekannte der 12-jährige Jürgen von der Wense drei Jahre vor dem ersten Weltkrieg in seinem geheimen Schüler-Tagebuch. Es war eine Neigung, die ihn bis in sein Todesjahr 1966 hinein nicht mehr verlassen sollte. Eigentlich handelte es sich um eine ausgesprochene Untugend, denn während er als Knabe noch Bilder aus alten Daheim-Jahrgängen oder anderen Zeitschriften ausschnitt, waren es später häufig genug Bilder aus wertvollen Büchern, die er mit solchen Ausschnitten beschädigte oder sie gänzlich unbrauchbar machte. Weniger Schaden verursachten dagegen Ausschnitte von Bildern und Textfragmenten aus Tageszeitungen, die er später mehr oder weniger systematisch sammelte und in voluminöse DIN A5-Hefte einklebte, wobei sich häufig aus den Zusammenstellungen eine besondere Komik oder gezielte Pointen ergaben. Denn diese Collagen sollten ja keine Zeitgeschichte dokumentieren, sondern etwas festhalten, das wir heute als "Zeitgeist" bezeichnen würden. In einigen Fällen versah er seine Ausschnitte auch mit kleinen Anmerkungen; meistens aber ließ er sie für sich selber sprechen. Insgesamt erfassen Wenses Collagen drei gegensätzliche Abschnitte der jüngsten deutschen Geschichte: die letzten Weimarer Jahre, die Nachkriegszeit und das braune Deutschland etwa zwischen 1933 und 1944. Dieser aber ist es, der uns heute am meisten interessiert. Wense hatte das Glück, daß er, obwohl mitten im "Dritten Reich" lebend, doch als "freiberuflich" Schaffender nirgends engagiert oder angebunden war, daher wenigstens anfangs noch durch das damals doch so eng geflochtene Netz der "Erfassungen" durchfiel und so diesen Staat aus einer gewissen kritischen Distanz betrachten konnte. -- -- Da also auch die das braune Deutschland betreffenden Collagen nur den besonderen Geist jener Zeit festhalten sollten, enthalten sie kaum Zeugnisse der damals doch so wichtig erscheinenden politischen Ereignisse; noch nicht einmal der Kriegsausbruch ist in ihnen festgehalten. Dagegen wurden offenbar mit Vergnügen die Schwierigkeiten der neuen "Weltanschauung" mit den alten Anschauungen wie dem christlichen Glauben aufgespießt, noch häufiger aber Verstiegenheiten, Entgleisungen oder Kapriolen des neuen Geistes. So sind die einzelnen Ausschnitte auch nur in einer sehr groben chronologischen Reihenfolge angeordnet und die Jahre 1934 bis 1936 überrepräsentiert, wobei etwa die Seiten 1 - 12 Ausschnitte aus der Zeit 1933, Januar 1935, 13- 55 Ausschnitte aus dem Jahr 1935, 56 -116Ausschnitte aus dem Jahr 1936, 117-123 Ausschnitte aus den Jahren 1937/1938, 124 -142 Ausschnitte aus den Kriegsjahren enthalten. Es waren auch nicht die großen Zeitungen der damaligen Zeit, die Wense las und ausschnitt, sondern solche von nur regionaler Bedeutung aus dem westfälischen, südniedersächsischen und nordhessischen Raum, hier vor allem die "Kasseler Post". Aber gerade deshalb bieten die Collagen Wenses ein Konzentrat von dem Geist, der auf den "normalen" Reichsbürger der Hitler-Zeit Tag für Tag eindrang. -- Offenbar sammelte Wense seine Ausschnitte zunächst über mehrere Wochen oder später sogar über viele Monate an, ehe er sie in sein Heft einklebte. Auch gestaltete er seine ja keineswegs für spätere Publikationen gedachten Collagen in den ersten Hitler-Jahren mit größerem Eifer als in den späteren, und Eifer wie Vergnügen erloschen augenscheinlich fast gänzlich während der langen Kriegsjahre. Diese brachten zuletzt ja auch für Wense immer mehr Belastungen und persönliche Einschränkungen. Vor allem aber zeigten sie spätestens jetzt, daß es sich diesmal um einen Zeitgeist handelte, mit dem nicht zu spaßen war. Die Zeitungen Wenses entsprachen ja nicht mehr der freien Presse der Weimarer Jahre, und so stand mindestens seit der Gründung der "Reichspressekammer" als Einzelkammer der "Reichskulturkammer" im September 1933 hinter dem neuen Zeitgeist Goebbels'"Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda" und damit die Staatsmacht. Denn nun mußte jeder Schriftleiter oder Herausgeber einer Zeitung Mitglied dieser Kammer sein und unterlag damit staatlicher Kontrolle. Nur konfessionelle Blätter mit geringen Auflagen waren anfangs noch von dieser Regelung ausgenommen. So stellten auch in den ersten beiden braunen Jahren mehrere tausend Zeitungen ihr Erscheinen ein oder wurden verboten, andere Zeitungen von nationalsozialistischen Schriftleitern und Redakteuren übernommen. Außer solcher "Gleichschaltung" wurde die Tagespresse über die täglichen Pressekonferenzen in Berlin von Goebbels zentral gesteuert. Denn hier wurden die Leitartikel, die Tendenzen, Sprachregelungen und meistens auch die Nachrichten festgelegt, welche nicht gebracht werden durften. Allerdings bezeugen die Ausschnitte Wenses, daß in den ersten Hitler-Jahren und mindestens in provinziellen Blättern sich noch ein kleiner Freiraum für weltanschauliche Auseinandersetzungen erhalten hatte. ISBN 9783882217872