Beschreibung:

ARCADIA ART Jef (Joseph Marie Thomas) Lambeaux (1852 Antwerpen - 1908 Brüssel), Weinender Knabe mit lachender Maske, um 1890. Alabaster auf rundem Sockel (8 cm Höhe), Gesamthöhe 37 cm, Breite 22 cm, Tiefe 18 cm, Gewicht 9 kg. Rückseitig mit Ritzsignatur "JeF.LAMBEAUX". - Vereinzelt leicht bestoßen, die Kordel der Mütze an einer Stelle mit kleinem Verlust, ansonsten in sehr gut erhaltenem Zustand. - Die Tragikomödie - Im Barockzeitalter hatten Künstler wie Peter Paul Rubens und Gian Lorenzo Bernini künstlerisch die menschlichen Leidenschaften erschlossen und ihrem inneren Zusammenhang nach erforscht. Zu den dargestellten Affekten gehörte auch der durchaus in schallendes Gelächter ausbrechende Humor. Jef Lambeaux greift in seinem Oeuvre diese barocken Bildkräfte auf und transponiert sie in seine Zeit. Das Weinen des Knaben ist bis zum Schreien gesteigert. Tränen kullern aus den Augen und laufen die Wangen hinunter, der Mund ist geöffnet und das gesamte Antlitz - insbesondere die Stirnpartie - im Affekt verzogen. Wie Gotthold Ephraim Lessing in seiner Schrift "Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie" (1766) hervorhebt, ist es geradewegs unmöglich, einen Affekt zum Hauptdarstellungsgegenstand zu machen, da der emotionale Ausnahmenzustand in der Realität verklingt, während er im Bildwerk dauerhaft präsent bleibt, was für den Betrachter höchst unangenehm wirkt. Und dennoch gelingt Lambeaux diese Gradwanderung. Auf meisterhafte Weise modelliert er aus der kindlichen Physiognomie den Ausdruck des Schmerzes heraus und verleiht dem Jungen dabei gleichzeitig etwas Puttohaftes, wodurch er ihn der Realität enthebt. Mit dem Barock werden die Affekte und die Sinne durch Putten veranschaulicht. Hierauf greift Lambeaux zurück, was dem Knaben eine allegorische Dimension verleiht. Die Büste veranschaulicht aber nicht allein die zum Schmerz gesteigerte Trauer; unter dem kindlichen Putto ist eine lachende Maske mit übergroßer Nase zu sehen. Sie scheint aus vollem Halse zu lachen und stellt das physiognomische Gegenstück zum Antlitz des Knaben dar. Als Maske verweist sie auf das Theater und die Komödie und damit zugleich auf das Leben als solches, hatte doch der Meister des Realismus, Honoré de Balzac, sein auf 137 Bände angelegtes Monumentalwerk "Die menschliche Komödie" genannt. Zusammengenommen stehen die lachende Maske und der weinende Knabe für die Tragikomödie der Menschheit ein, wobei die Maske geradewegs hämisch über den realen Schmerz des Jungen zu lachen scheint, als ob sie wüsste, dass Weinen nichts an der Tragik ändert. zum Künstler Jef Lambeaux trat bereits als Zehnjähriger in der Antwerpener Kunstakademie ein. Zunächst studierte er bei Nicaise de Keyser und ab 1871 bei Joseph Geefs. Mit gerade einmal vierzehn Jahren erhielt er zwei Akademiepreise und ab 1871 begann er in den belgischen Salons auszustellen, zunächst in Antwerpen, später auch in Gent und Brüssel. Von 1879 bis 1881 lebte Lambeaux in Paris, wo er sich mit den Malern Jan van Beers und Gustave Vanaise ein Atelier teilte. Zurück in Brüssel arbeitet er zum Broterwerb für das Castan'sche Wachsfiguren-Kabinett. Er erhielt jedoch den Auftrag, für das Innere des Antwerpener Rathauses zwei Karyatiden anzufertigen, so dass er sich wieder ganz der Kunst widmen konnte. In dieser Zeit schuf er mit "Der Kuß" sein erstes allgemein beachtetes Werk. Ein Stipendium ermöglichte es ihm, sich 1882/83 in Italien aufzuhalten, wo ihn das Oeuvre Giambolognas, insbesondere der "Raub der Sabinerinnen" (1583), beeindruckte. Wieder in Brüssel nahm er - wie bereits in seiner Pariser Zeit - Kontakte zur Avantgarde auf und wurde Gründungsmitglied der progressiven Künstlergruppe "Les XX", zu denen auch Fernand Khnopff, Théo van Rysselberghe und James Ensor gehörten. Nach einem Jahr verließ er die Vereinigung jedoch wieder, da Lambeaux vor allem an einer Revitalisierung barocker Bildkräfte gelegen war, während sich die aufkommende Moderne auf [...]