Beschreibung:

16 Seiten; Illustr.; 34,5 cm; geheftet.

Bemerkung:

Gutes Exemplar. - Nr. 641 / signiert von Klaus Ensikat. - "Ein ausgesprochener Ketzer war mein Vater." - Der dies schrieb, zählte selbst zu den außergewöhnlichen Männern mit unkonventionellen Ideen in der Medizingeschichte, machte sich zur Zeit Sigmund Freuds einen Namen als Psychotherapeut in Baden-Baden und erwarb sich auch noch lange nach seinem Tod 1934 die Anerkennung zahlreicher Persönlichkeiten nicht nur aus dem wissenschaftlichen, sondern auch aus dem kulturellen Bereich. So äußerte sich die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann: "Groddecks erste und kühnste Vermutung hat sich als richtig erwiesen, es gibt keine Krankheit, die nicht von Kranken produziert wird, auch keinen Beinbruch, keinen Nierenstein. Es ist eine Produktion wie eine künstlerische, und die Krankheit bedeutet etwas." Gemeint war Georg Groddeck, Sohn Carl Theodor Groddecks, des Verfassers der hier in Auszügen abgedruckten Schrift Die demokratische Krankheit, eine neue Wahnsinnsform - "ein dämonischer Mensch, der, aus einem reichen Unbewußten lebend, jedem, der mit ihm zusammentraf, etwas gab: Er sah Mensch und Welt mit eigenen Augen." So beschrieb Georg Groddeck seinen Vater in dem Buch Der Mensch und sein Es, woraus auch die folgende Bemerkung stammt: "Übrigens war er ebensowenig Nervenarzt wie ich, sondern einfacher praktischer Arzt, allerdings mit eigenen seiner Zeit weit vorausgeschrittenen, vielleicht auch weit hinter seiner Zeit zurückgebliebenen Ansichten, je nachdem wie man es nennen will." Der am 11. April 1826 in Danzig geborene Carl Theodor Groddeck approbierte sich im Revolutionsjahr 1849 an der medizinischen Fakultät der Universität Berlin mit der in lateinischer Sprache verfaßten Dissertation De Morbo Democratio, Nova Insaniae Forma, die erweitert ein Jahr darauf in einem kleinen Naumburger Verlag unter dem Titel Die demokratische Krankheit, eine neue Wahnsinnsform in deutscher Sprache erschien. Vom breiten Lesepublikum zwar unbeachtet, löste die provozierende Schrift doch anläßlich der öffentlichen Disputation am 21. Dezember 1849 heftige Kontroversen aus. In der revolutionär gestimmten und von demokratischen Hoffnungen geprägten Zeit mußte sich der Autoreinem höchst kritischen Auditorium, darunter demokratische Parteiführer und bedeutende Vertreter der Wissenschaft, stellen - ein Erlebnis, das ihn nachhaltig beeindruckte und von dem er auch noch seinem Sohn berichtete: "...noch als alter Mann erzählte er mir mit großer Freude, wie alles hergegangen sei, wie die kleine Aula für den Andrang des Publikums nicht ausgereicht habe und alle in den großen Universitätssaal gezogen seien, wie er von allen Seiten angegriffen und verhöhnt worden sei und wie schwierig die Lage dadurch gewesen sei, daß er sich in lateinischer Sprache verteidigen mußte, noch dazu gegen zwei der besten Schulmänner der antiken Sprachen." Seine Theorie von der demokratischen Krankheit als Wahnsinnsform stützt Carl Theodor Groddeck hauptsächlich auf zwei wissenschaftliche Quellen: Die Lehre von J. F. C. Hecker über die ansteckenden Geisteskrankheiten im Mittelalter und K.W. Idelers Lehre von der krankhaften Steigerung des Nachahmungstriebes. ... (Antonia Meiners)