Beschreibung:

deß Ovidianischen ver= blümten Sinns/ gründlichen Argumenten und Außlegungen/ mit reinen Inhalts=Versen und kurtzen doch nutzlichen Mo- ralibus und Lehr=Sätzen illustriret und erkläret: Auch mit CXIII. schönen Kunst=Risen und Kupffer=Fi= guren gezieret: So daß sich deren so wol Hohe Stands=als andere Personen/ Gelehrte vnd Vngelehrte/ nit nur zur Gemüths=Belustigung vnd Zeit=Vertreib; sondern auch nebens denen Liebhabern der Poeterey/ die studirende Jugend/ als ferner wegen der/ auß H. Schrifft vnd HH. Vättern ge= zogenen/ angeführten/ schönen vnd nutzlichen Moralien und Sitten=Lehren/ die angehende Herren Prediger; ab= sonderlich aber/ die Bildhauer/ Mahler/ Goldschmidte/ Formschneider/ Eisen=Schneider/ Aetzer/ u. a. m. dergleichen Künstler/ zu ihrer Profession, nutzlich und nachrichtlich bedie= nen können. Wobey auch diß Edlen und vortreflichen Poeten P. Ovidii Nasonis Leben/ Exilium, und Tod; zwar kurtz/ doch deutlich und außführlich gleich Anfangs zu lesen ist. Durch P. C. B. H. [Paul Conrad Balthasar Han ???] M.DC LXXXV. [Holzschnitt-Druckermarke] Saltzburg/ Gedruckt und verlegt durch Johann Baptist Mayr/ Hoch=Fürstlichen Hoff- und Academischen Buchdrucker und Händler.. 9 (nicht paginierte) Blätter (incl. Titelblatt in rot und schwarz, sowie einem gestochenen Phantasie-Portrait des Ovid auf Blatt 9); CXIII (113) Blätter (mit ebensovielen Stichen). Pergamentband der Zeit mit allseitigem Blauschnitt. (30,3 x 20,3 cm) 4°.

Bemerkung:

- Ein Moralbildungs-Bilderbuch für einen ganz besonderen Siebenjährigen, den späteren Kaiser Joseph I. - VD17 12:624273Y. Graesse V, 81. Schweiger II 2, 669. Nicht bei Landwehr. Vergl. Nagler, Monogramme IV 1849. Der zeitgenössische Pergamentband mit Alters- und Gebrauchsspuren, beide obere Ecken defekt und mit Fehlstellen, auf der Vorderseite stärker betroffen, am unteren Kapital ebenfalls bestoßen. Die Schließbänder fehlen. Insgesamt etwas angeschmutzt, wasserfleckig, berieben und bestoßen. Innen durchgehend etwas gebräunt und/ oder stockfleckig, ab Blatt LXVI (61) stärker, ab Blatt CIX (109) stark wasserrandig, danach auch die Stiche betroffen. Blatt XXXII (32) mit Einriß, XXXVII (37) alt hinterlegt, bei Blatt LVI (56) ist die obere rechte Ecke alt angesetzt, Blatt LXX (70) mit Ausriß im oberen Rand, die Blätter LXXI (71) un LXXX (80) jeweils mit einem Fleck in der Darstellung. Mit der gedruckten längeren Widmung an den siebenjährigen Sohn des Kaisers Leopold I. von Johann Baptist Mayr, "Cammer-Diener", auch "Hoff- und Academischer Buchtrucker". Darin stellt er den Nutzen des Buches für einen lernwilligen Prinzen heraus und versucht diesen für die antike Geschichte zu interessieren, weist auf die Tugenden hin, die darin vorgestellt werden und ganz allgemein "... daß er suß Historischen Büchern die Kunst löblich zu regiren erlernet ...". Am Schluß weist er auf die Tradition hin, denn bereits Kaiser Maximilian II hätte sämtliche Prinzen und jungen Adeligen vor mehr als 100 Jahren "... ein weit geringers Ovidische Teutsches Reim=werck/ nur in Octavo und mit Holzschnitten ..." geschenkt. Sein Werk sei jedoch weitläufiger und vollständiger "... sambt denen Figur=Abschattirungen oder Kupfer-Risen ...". Auf fünf Blättern die auf dem Titel genannte Kurzbiographie des Ovid von P. C. B. H. [di. wohl Paul Conrad Balthasar Han aus Nürnberg, * 1633 - 1699 +], einem Kalendermacher und Gelegenheitsdichter, samt Epitaph und gestochenem "Portrait". Mit einer Holzschnitt-Druckermarke auf dem Titel, einem gestochenem Phantasie-Portrait des Ovid und 113 Kupfern, nur fünf davon - die römisch numerierten Stiche 7, 8, 27, 35 und 91 - sind in der Platte monogrammierte Textkupfer von "M.G.f." (Matthias Greischer fecit), eventuell seitenverkehrt nach Crispin van der Passe, oder von ihm inspirierten Nachstichen. Lt. VD17 weist ein Exemplar ein überbuchgroßes, deswegen gefaltetes Blatt mit dem Portraitstich des kindlichen Widmungsempfängers "Josephus Jacobus Ignatius Johannes Antonius Eustachius, Ertz-Hertzog zu Oesterreich" (der spätere Joseph I. war der Sohn Leopold I. Er lebte von 1678 - 1711.) auf, das aber den Exemplaren in der BSB und Wolfenbüttel, ebensowenig wie dem unsrigen beigebunden wurde, ein weiteres Exemplar ist im Archiv der Erzdiözese Salzburg. Es enthält den Stich mit dem kindlichen Herrscher, ihm fehlen aber drei Blätter mit den römischen Nummern 11, 76, 85. Im Netz findet sich zudem auf den Seiten der "Europeana" - wenig überraschend - ein Exemplar der ÖNB, ehemals Kaiserliche Hofbibliothek" mit dem dort abgebildeten Stich, der von Philipp Kilian gestochen wurde und vielleicht nur wenigen Widmungsexemplaren, so auch dem digitalisierten Wolfenbütteler Exemplar, beigebunden worden sind. Wie auch immer, ein sehr seltener, in nur wenigen Bibliotheken vorhandener Druck. Die Blätter mit den Kupfern sind römisch numeriert, darunter eine lateinische Devise mit ihrer deutschen Bedeutung, dann das Kupfer, unterhalb dessen ein zweizeiliger deutschsprachiger Reim gesetzt wurde, dann folgt die Erklärung des Kupfers, auf der Rückseite die "Morale", in der versucht wird, die eigentlich heidnischen Inhalte biblisch umzudeuten. Auffällig ist, daß einzelne der Kupfer in der Platte arabische Ziffern in zwei verschiedenen Ausführungen aufweisen, die nicht den römischen Überschriften entsprechen, was an ein "Platten-Recycling" denken läßt: thematisch passende Kupfer wurden eventuell aus mindestens einer anderen Ausgabe wiederverwendet, denkbar wäre allerdings auch eine vorher angedachte andere Bildfolge, andererseits fehlen nur den fünf mit "MG" monogrammierten und 10 weiteren Stichen die arabischen Nummern. Ein ausgezeichnetes Beispiel für diese Mehrfachverwendung bietet die Tafel LXIV (64) in unserem Exemplar. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß die Platte ursprünglich mit den arabischen Ziffern "63" bezeichnet war, aber für eine vorherige Verwendung mit "53" überschrieben wurden. Gerlinde Huber-Rebenich in "Metamorphosen der 'Metamorphosen'": "... Bei der Vermittlung des Traditionsgutes über die Gelehrtenkreise hinaus spielten die volkssprachlichen Wiedergaben eine wichtige Rolle. Sie waren auch für den des Lateinischen Unkundigen verständlich und dienten häufig bildenden Künstlern als Inspirationsquellen für mythologische Darstellungen. Bereits im ersten Jahrhundert des Buchdrucks begannen diese beliebten Texte den Markt zu erobern. Oft waren die Editionen mit Illustrationen geschmückt - zunächst mit Holzschnitten, später mit Kupferstichen und Radierungen. Beliebte Serien wurden immer wieder abgedruckt oder mehr oder weniger treu kopiert. Auf diese Weise geriet ein immenser Fundus standardisierter Kompositionstypen in Umlauf ...". Z.B. ist Blatt "XI." unserer Metamorphosen kompositorisch ganz klar ein spiegelverkehrter Nachstich (in der Platte mit der Nummer "6" versehen) der hundert Jahre zuvor entstandenen Lycaon-Illustration (Abb. 15 bei Huber-Rebenich a.a.O.) von Hendrick Goltzius, auf dessen Vorlagen sich übrigens auch Crispin van der Passe (1565 - 1627) bezog. Seinen eigenen Metamorphosen-Zyklus veröffentlichte dieser in Köln (1602 - 1604) und mindestens unsere Tafeln V, IX, XII, XVI, XVII, XX, XXV, LIV (seitenverkehrt), LXII, LXXIII (spiegelverkehrt), LXXVII sind nach seinen Vorlagen, übrigens hier - bis auf die genannten Ausnahmen - nicht gespiegelt, nachgestochen worden. Der erste Stich (I) ist ein spiegelverkehrter Nachstich nach Goltzius, der von Greischer monogrammierte Stich XXXV weist dieselbe Komposition auf, allerdings hier spiegelverkehrt, wie der bei Gabriele Bickendorf ("Eigensinn der Illustration") abgebildete Stich des Johann Wilhelm Baur "Der Wahnsinn des Athamas" von 1641. Eine sicherlich verdienstvolle und lohnende Aufgabe für KunsthistorikerInnen herauszufinden von wem die anderern Stiche stammen, vom Antiquar im Rahmen einer verkaufsorientierten Titelaufnahme leider nicht leistbar. Liest man jedoch die der Ausgabe vorangestellte Widmung, zielte das gesamte Buch auf die Erziehung, Bildung und Belehrung junger Menschen, des Thronfolgers Leopold I. Das würde auch die sorgsame Auswahl und Zusammenstellung der Stiche aus mehreren Metamorphosen-Zyklen erklären, da einige der Vorlagen sicherlich nicht ganz "jugendfrei" waren. Das Ganze war vielleicht auch als "Leistungsschau" des Hof-Buchdruckers gedacht, der ja im höfischen Spannungsfeld zwischen jesuitischer Gegenreformation und Frühaufklärung im Hochbarock lavieren mußte. Johann Baptist Mayr (von Mayregg) wurde 1634 geboren und starb 1703 in Salzburg, er war u.a. auch öffentlicher Notar, höfischer Kammerdiener, gründete aber auch 1678 in Laibach eine Buchdruckerei, die bis 1730 bestand und lateinische, deutsche und slowenische Werke herausbrachte, in Salzburg war er nicht nur Hofbuchdrucker, sondern auch Universitätsbuchdrucker und Buchhändler. ex: ZOBODAT online Zur Provenienz: auf dem Innendeckel handschriftlich "Ex libris Joanni Francisci Linsing Sacerd.[os]". In der "Oberdeutschen Personendatenbank" findet sich online ein in Innsbruck geborener späterer Priester namens Franz Linsing, der von 1704 bis 1741 lebte, in der Diözese Brixen wirkte und auch in Innsbruck starb. Auf dem Titelblatt ein teilweise gelöschter, aber noch lesbarer Stempel "Dr. Josef [Nachname gelöscht] Hof & Gerichts-Advocat Wien [Straße und Hausnummer gelöscht]". Es handelt sich wohl um den, auch als Sammler bekannten Wiener Anwalt und Politiker Josef Kopp (1827 - 1907). * Bitte fordern Sie bei Interesse unsere umfangreichen Anmerkungen an. *