Beschreibung:

222 S.: Abb. Pappband.

Bemerkung:

Gutes, sauberes Exemplar ohne Anstreichungen. - Inhalt Über dieses Buch Roger Fayet Entkleidet und verdreht Darstellungen von Teufeln, Verdammten und Bösewichten in der Kunst des späten Mittelalters Susan Marti In der mittelalterlichen Bilderwelt kam den Verkörperungen des Bösen hoher Stellen- wert zu: Sie kündeten von der permanenten Bedrohung durch den Teufel und führten vor Augen, wie unerlässlich das Bemühen um Erlösung sei. Erkennbar waren die Repräsentationen des Bösen an bestimmten körperlichen Merkmalen - an einer Anatomie des Bösen", die zugleich ängstigend und un- missverständlich klar sein musste. Susan Marti untersucht, wie die christliche Kunst des . bis . Jahrhunderts das Böse als körperliches Phänomen zur Anschau- ung brachte. Hierzu richtet sie das Augen- merk auf die Darstellung des Teufels und der Dämonen, auf die bösen Figuren in der Passion Christi und auf die Körper der Ver- dammten in den Bildern vom Jüngsten Gericht. Teufelskind oder Wunderzeichen Gottes? Die Deutung der Fehlbildung in der Frühen Neuzeit Ulrike Enke Die Geburt eines missgebildeten Kindes wirft die Frage auf, wie eine solche Abweichung von der Regel zu erklären sei. Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit wurde die Fehlbildung oftmals als Strafe Gottes interpretiert, mit der die Eltern für sündhaftes Verhalten gebüsst werden sollen. Oder die Missbildung wurde als Zeichen für den bösen Charakter des betroffenen Menschen angesehen. Ulrike Enke legt dar, wie Ärzte, Chirurgen und Anatomen noch bis ins . Jahrhundert einen Bezug zwischen körperlicher Missbil- dung und der Präsenz des Bösen herstellten. So standen die Mütter von fehlgebildeten Kindern im Verdacht, mit dem Teufel verkehrt oder sodomitischen Beischlaf praktiziert zu haben. Eine harmlosere Ursache war das so genannte Versehen, das heisst der Anblick von Lust oder Schrecken erregenden Bildern, oder ungezügeltes Verlangen nach bestimmten Speisen. Eine weitere Deutung der Missbildung - ver- treten etwa durch den Zürcher Arzt Jakob Ruf - bestand darin, in der Missgeburt ein Mahnmal Gottes zu sehen, das auf einen Defekt am sozialen Körper hinweist und zu einem gottgefälligen Leben aufruft. Delinquente Seelen - schöne Anatomie Von Anatomieleichen und ihrer Zergliederung im . Jahrhundert Ulrike Enke Die Leichen für den anatomischen Unterricht kamen an den Universitäten des . Jahr- hunderts zu einem grossen Teil von den Richtplätzen. Bei den Sezierten handelte es sich also um hingerichtete Delinquenten, denen wegen ihrer Straftaten das Recht auf eine würdige Bestattung abgesprochen wurde. Ulrike Enke zeigt auf, dass die Anatomen in ihren Publikationen die Herkunft der Körper zwar thematisierten, aber nicht gezielt nach körperlichen Manifestationen des Bösen suchten. Der Grund dafür, dass aus der ?Anatomie der Bösen" keine ?Anatomie des Bösen" wurde, lag in der Vorstellung der Getrenntheit von Leib und Seele: Eine böse Seele blieb ohne Auswirkungen auf den Zustand des Körpers. Dort jedoch, wo eine Verknüpfung von Geist und Körper angenommen wurde - etwa bei jenen Anatomen, die auf die Lehre von den Körpersäften Bezug nahmen - finden sich Versuche, psychische Eigenschaften mit körperlichen Befunden in Verbindung zu bringen. Der Fall Rüttgerodt Die Physiognomik des Bösen und ihre Medialisierung um Hans-Georg von Arburg Der Zürcher Pfarrer Johann Caspar Lavater ( - ) vertrat in seinen Physiogno- mischen Fragmenten zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe die Auffassung, dass aus der Analyse der menschlichen Gesichtszüge auf die jeweiligen charakterlichen Eigenschaften geschlossen werden könne. Hans-Georg von Arburg stellt die Methodik von Lavaters Lesekunst vor, die das Gesicht zunächst spontan und simultan betrachtet, um anschliessend einzelne Merk- male zu isolieren und zu abstrahieren. Grundlage hierzu bildete zur Hauptsache die Silhouette des unbewegten Gesichts, wie sie im Schattenriss festgehalten werden kann. Zugleich legt von Arburg dar, wie die Reduk- tion der Zeichenkomplexität - etwa die Nichtbeachtung der Gefühlsregungen - die Physiognomik in die semiotische Unzuläng- lichkeit führt. Mordsinn und Diebsinn Franz Joseph Galls Erklärung des Verbre- chens und die Anfänge der Neuro- psychologie zu Beginn des . Jahrhunderts Sigrid Oehler-Klein In Anlehnung an die Physiognomik Johann Caspar Lavaters entwickelte der Arzt und Anatom Franz Joseph Gall ( - ) eine Hirn- und Schädellehre, die vom Vorhanden- sein so genannter ?Hirnorgane" ausging. Die mehr oder minder starke Ausprägung dieser Organe sollte zu bestimmten Charakterei- genschaften führen - so etwa ein besonders grosses ?Mord"- oder ?Dieborgan" zu verbrecherischem Verhalten. Gemessen werden könne die Grösse des Organs an den entsprechenden Wölbungen des Schädels. Wie Sigrid Oehler-Klein darstellt, war Galls Methodik der empirischen Beobachtung und dem Geist der Aufklärung verpflichtet. Er war bestrebt, die Natur des Menschen und damit auch die des Verbrechers - aus dem Körperbau und aus der Analyse pathologischer Phänomene zu erklären. Die Schädellehre Galls errang zwar grosse Popularitat, wurde aber in wissenschaft- lichen Kreisen schon zu Beginn des . Jahr hunderts als spekulativ verworfen. Ihre Bedeutung liegt aus heutiger Sicht vor allem darin, dass sie zur Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden beitrug: Durch die Fokussierung auf bestimmte Hirnregionen konnten Phänomene wie der Verlust der Sprache oder die Einschränkung motorischer Leistungen besser verstanden werden. Cesare Lombroso und die organischen Bedingungen" des Verbrechens Die Kriminalanthropologie des . Jahrhun- derts zwischen Physiognomik, Atavismus- theorien und Zoologie Jutta Person Der italienische Psychiater und Kriminal- anthropologe Cesare Lombroso ( - ) war einer der einflussreichsten Wissenschaftler seiner Zeit und weit über sein Fach hinaus bekannt. Kernstück seiner Theorie bildet die Idee des geborenen Verbrechers": Dieser ist ein bestimmter Typus Mensch, der auf einer früheren Stufe der stammesgeschichtlichen Entwicklung stehen geblieben ist und daher notwendig mit der ihn umgebenden Gesellschaft in Konflikt geraten muss. Jutta Person verfolgt die Entstehung von Lombrosos Theorie des Atavismus, i. e, der an Darwin orientierten Vorstellung von Rück- schlägen in frühere evolutionäre Stadien. Des Weiteren stellt sie dar, wie der Krimino- loge über die Vermessung von Körpern und über das exzessive Sammeln von ?Belegen" seine Sichtweise zu untermauern versuchte. Eines der leitenden Interessen dieser Sammeltätigkeit galt der Tiernähe des ?Verbrechermenschen". Das Böse entstand für Lombroso also nicht durch die Entfer- nung des Menschen von der Natur,' sondern im Gegenteil durch seine Verhaftung im Animalischen. Tiefe Blicke in das Verbrechergehirn Ein Gespräch mit Hans J. Markowitsch Roger Fayet Die Hirnforschung beschäftigt sich derzeit intensiv mit der Frage, ob sich im Hirn des Menschen bestimmte physiologische Merkmale finden lassen, die für die Entste- hung von bösem Verhalten verantwortlich sind. Eng mit diesem Thema verknüpft ist die Frage nach der Schuldfähigkeit der Täter und noch allgemeiner - das Problem der Willensfreiheit. Der Neurowissenschaftler Hans J. Marko- witsch ist ein profilierter Vertreter dieser Forschungsrichtung; er unterbreitet seine Ergebnisse nicht nur dem Fachpublikum, sondern stellt sie etwa in seinem jüngst erschienenen Buch Tatort Gehirn auch einer breiteren Öffentlichkeit vor. Im Gespräch erläutert Hans J. Markowitsch seine Untersuchungsmethoden und legt dar, wie durch eine Schädigung bestimmter Hirnregionen der Umgang mit Aggression verändert wird. Er äussert sich zur Frage der Determiniertheit des menschlichen Han- delns und zieht Schlussfolgerungen für die Rechtssprechung, den Strafvollzug und die Prävention. Wie gute Menschen zu Verbrechern werden Ein situationistischer Blick auf die Psychologie des Bösen Philip G. Zimbardo Das Böse aus dem Vorhandensein bestimm- ter körperlicher Merkmale heraus zu erklären, heisst, das Augenmerk auf das Individuum zu richten. Von seiner Disposi- tion hängt es ab, ob es böse Handlungen begeht oder nicht. Mit diesem auf der individuellen Disposition beruhenden Ansatz kontrastiert eine andere Sichtweise, die das Entstehen von bösen Verhaltensweisen primär als Folge spezifi- scher sozialer Situationen begreift. Dieser so genannt situationistische Ansatz wurde als Komplement zu der an der Disposition orientierten Betrachtungweise in diesen Band aufgenommen. Die situationistische Perspektive wird vorgestellt von Philip G. Zimbardo, der sich als Sozialpsychologe intensiv mit der Entstehung von Gewalt beschäftigt hat. Sein Beitrag thematisiert neben den eigenen Forschungen - etwa dem Stanford-Gefäng- nis-Experiment - auch die Untersuchungen von Stanley Milgram und Albert Bandura. Ferner widmet er sich dem Nichtstun als einer Form bösen Handelns sowie der Frage. ob Folterer, Henker und Selbstmordattentä- ter über eine bestimmte persönliche Disposition verfügen müssen. Zimbardo hebt hervor, wie mächtig die situativen Voraussetzungen auf das Verhal- ten der Menschen einwirken. Daraus folgert er, dass es sinnvoller ist, sich der Erfor- schung dieser Mechanismen zu widmen als grosse Mühe auf die Identifizierung gefährlicher Individuen zu verwenden. Die soziale Situation Wie ganz normale Männer töten Harald Welzer Als eindrückliches Beispiel einer situationis- tischen Perspektive auf die Entstehung des Bösen kann der Beitrag von Harald Welzer gelesen werden. Er schildert die Mas- senmorde, die Angehörige eines deutschen Reserve-Polizeibataillons während des Zweiten Weltkriegs an Juden in der Ukraine verübten. Mit nüchternem Blick beschreibt Welzer, wie die Erschiessungen in Berditschew und Winniza vorbereitet und durchgeführt wurden. Aus seinen Bestandesaufnahmen geht hervor, dass die Ausgestaltung der Abläufe von zentraler Bedeutung war im Hinblick darauf, wie die Soldaten zur Begehung dieser Taten gebracht werden konnten. Verfahren wie die schrittweise Erteilung der Befehle, die arbeitsteilige Organisation der Tätigkeiten oder die Eröffnung eines individuellen Handlungs- spielraums (?Ich bin wenigstens nicht so grausam wie die anderen!") ermöglichten es ganz normalen Menschen, sich an der massenhaften Ermordung von wehrlosen Männern, Frauen und Kindern zu beteiligen. Kurzbiographien der Autorinnen und Autoren Abbildungsnachweis Dank Impressum. ISBN 9783039190935