Beschreibung:

22 : 14 xm. 4 Seiten. Mit gedruckter Absenderangabe.

Bemerkung:

An den Berliner Schriftsteller-Kollegen Carl Busse (1872-1918): »Nun ein paar Worte über Ihren Essay [»Über Lyrik und Lyriker«; im Januar 1896 im »Magazin für Litteratur« erschienen]. Er ist noch schlimmer als die Vorrede zur Lyrik. Ich muß es offen aussprechen: er enthält zu wenig für sein anspruchsvolles Auftreten und ist voller Ungerechtigkeiten [...]. Ich werde schon wild, wenn ich bei gescheidten Leuten so allgemeine Worte wie 'Liebe' 'Stimmung' ganz definitonslos finde [...]. Gerade mit der Liebeslyrik geraten Sie mitten hinein in die soziale Lyrik. Beweis: Die Mignonlieder [von Goethe], die zugleich soziale Lieder sind [...]. Weil [Karl] Henckell kein Goethe und [Theodor] Koerner kein Tyrtaeus ist, deshalb hat die soziale und patriotische Lyrik nicht ihr Recht verloren«. Weitere poetologische Reflexionen, erwähnt William Shakespeare, Gustav Freytag, Hermann Sudermann, Ernst von Wolzogen, Emile Zola, Gerhart Hauptmann, Fjodr M. Dostojewski, Gottfried Keller, Heinrich von Kleist, Theodor Storm u. a. Gipfelt in dem Ausruf: »Wir leben in einem vollständigen Chaos von Lyrik«. - Zum Schluss eine kleine Hinwendung zum jüdischen Selbstverständnis: »Was hat übrigens das Judenthum mit Schiller zu thun? [Otto] Ernst ist [...] ein konzentrierter Germane, wiewohl er verdiente, ein Jude zu sein. Was kann [Gustav] Karpeles dafür, daß Hegel den Michael Beer nicht verstanden hat? [...]« - Peter Sprengel (Herausgeber von Leo Berg: Im Netzwerk der Moderne. Briefwechsel 1884-1891. 2010 mit Dank für die folgenden Erläuterungen): »Die Anspielung auf Otto Ernst hat das 3. Kapitel von dessen Buch 'Vom geruhigen Leben' zum Hintergrund. Darin reflektiert Ernst ironisch über die deutsche Schiller-Verehrung. Diese 'humoristischen Plaudereien' sind erst 1903 in Buchform erschienen, müssen aber teilweise schon vorher bekannt gewesen sein. Die Bemerkung über die Juden und Schiller basiert einerseits auf Busses Vorlage ('Nämlich daß es vor allem jüdische Kritiker sind, die am lautesten eine soziale Lyrik fordern, die jeder Experimentirdichtung das meiste Interesse entgegenbringen und der Rhetorik sich gern ergeben. Der nur auf sich selbst gestellte, nicht durch fremde Einflüsse gemodelte deutsche Jude wird nie seine Vorliebe für Schiller verläugnen'), andererseits auf der von Karpeles kompilierten Heine-Autobiographie (1888), in der eine witzige Bemerkung von Felix Mendelssohn kolportiert wird, wonach Hegel Heinrich (!) Beer nicht verstanden hätte. Heinrich Beer war der Bruder des Dramatikers Michael Beer, mit dem Berg ihn hier verwechselt« - Falzeinriss.