Beschreibung:

208 S., 222 meist farb. Abb. Reg. 4° Kart. *neuwertig*

Bemerkung:

Die grossartige romanische Kirche St. Maria im Kapitol in Köln birgt eine der eindrucksvollsten Holzskulpturen der Spätgotik: das »Kapitolskruzifix«. Im Geist der Mystik im Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden, ist es eine kaum jemals in ihrer Intensität übertroffene Darstellung des leidenden Christus am Kreuz. Von den aufgerissenen Nagelwunden bis zur minutiös ausgeführten Blutmalerei sind alle Details von fest erschreckender Präzision. Eine langjährige Restaurierung im Rheinischen Amt für Denkmalpflege, während der eine bisher unbekannte, spätmittelalterliche Zweitfassung freigelegt wurde, bot die Möglichkeit, das filigrane Werk technisch zu untersuchen. Mittels Röntgenfotos und Endoskopie wurden ca. 50 grossenteils beschriftete Reliquien im ausgehöhlten Korpus entdeckt. Außerdem konnten die Eigenheiten der Holzkonstruktion festgestellt werden, dabei erwies sich beispielsweise das grüne Gabelkreuz als in Zweitverwendung mit dem Korpus verbunden. Aus den neuen Erkenntnissen resultiert nichts weniger als eine vollständige Revision der bisherigen Forschung, die bei Wilhelm Pinder im Zeichen einer national verstandenen Kunstgeschichte ihren Anfang genommen hatte: sicher hat kein Kölner Schnitzer dieses epochale Werk geschaffen, und die im 17. Jahrhundert durch den Kölner Kanoniker Aegidius Gelenius festgehaltene Datierung in das Jahr 1304 ist ungewiss. Das Kapitolskruzifix erfuhr im Rheinland eine reiche Nachfolge, zu der ebenfalls neue Untersuchungen dokumentiert sind (Köln, St. Severin und Maria vom Frieden, Bocholt, Andernach, Hürth-Kendenich usw.). Es wird vergleichend nach Westfalen ausgeblickt (Coesfeld, Haltern, usw.). Ausserdem bestand die Möglichkeit, an den vorbereitenden Untersuchungen zur Restaurierung des Kruzifixes im niedersächsischen Lage/Rieste mitzuwirken, womit ein völlig übersehenes Stück die ihm angemessene Würdigung erfuhr. Und schließlich wird mit verwandten Werken in Florenz, Palermo, Pisa, Perpignan (Roussillon), Iglau (Tschechien) usw. verglichen. Dabei erweisen sich die spätgotischen »Crucifixi dolorosi« als ein Phänomen von europäischer Dimension, das sich bis nach Spanien und Dänemark verfolgen lässt. Das Buch zeigt bisher unzugängliches Bildmaterial großenteils in Farbe. Die Restaurierungen sind ausführlich dokumentiert und von Röntgenfotos bis zu Fassungsquerschliffen bebildert. Gut verständlich wird allen an mittelalterlicher Kunst interessierten Lesern ein Zugang zum Thema verschafft, das einen tiefen Einblick in die spätmittelalterliche Kreuzverehrung gewährt.