Beschreibung:

(2), 446 Seiten. Mit einer gestochenen Titelvignette (Fama in ovalem Rahmen), die in der ersten Auflage fehlte. 8°. Dekorativer Halblederband mit klassizistischer Rückenvergoldung, goldgeprägtem schwarzem Rückenschild, Lederecken und Kleisterpapierbezügen

Bemerkung:

Zweite Ausgabe des Erstlings des aus baltischem Adel stammenden Wirtschaftswissenschaftlers ("der russische Adam Smith") Heinrich Friedrich von Storch (Riga 1766 - Sankt Petersburg 1835) in einem sehr schön gebundenen Exemplar. - Auf dem vorderen Innendeckel von Wilhelm Arndt gestochenen Exlibris der Familie von Kleist: Sokratesbüste auf Sockel mit Wappen der Familie Kleist (zwei flüchtige Füchse im Wappenschild, Helm mit drei Knebelspießen), davor Minerva und zwei als Kinder dargestellte Engel. - Zumal in diesem Einband und Zustand selten. - Auf dem Vorsatz negativer Prüfstempel der in der SBZ eingesetzten "Kommission zur Säuberung der Büchereien", datiert 26. Nov. 1946: "Keine Beanstandungen" - ansonsten keine Bibliothekssignaturen. Es ist davon auszugehen, dass die Kommission das Buch aus der eingezogenen Adelsbibliothek Derer von Kleist niemals in eine öffentliche Bibliothek überführt, sondern (wie so viele Antiquitäten und Kunstgegenstände) den Band gegen Devisen in den Westen verkauft hat. - Etwas berieben und leicht bestoßen, Vorsätze leimschattig, das Papier nur gelegentlich gering fleckig. - Sehr gutes Exemplar. - Storch besuchte in Riga die Domschule (bis 1784), studierte in Jena und Heidelberg. Während einer Reise durch Süddeutschland und Frankreich im Jahre 1786 verfasste er vorliegende Aufsatzsammlung, die er 1787 auf eigene Kosten in Heidelberg veröffentlichen ließ, und die "über 100 Seiten allein nur Vergnügungen" (Griep/Luber) in Frankreich schildert. - 1789 erhielt er einen Ruf an die Militärakademie in St. Petersburg als Professor der schönen Künste. 1794 erschien sein erstes bedeutendes statistisches Werk ("Gemälde von St. Petersburg") in zwei Bänden, herausgegebenen in Riga. Ab 1799 unterrichtete er die Töchter von Zar Paul: Alexandra Pawlowna Romanowa (1783?1801), die spätere Frau von Erzherzog Joseph von Österreich, und Helena Pawlowna Romanowa, die spätere Frau von Erbprinz Friedrich Ludwig zu Mecklenburg(-Schwerin). 1801 erfolgte die Ernennung zum Vorleser bei der Zarin Maria Fjodorowna (1759?1828), einer geborenen Sophie Dorothee Auguste Luise von Württemberg. Später unterrichtete er auch die Großfürsten Nikolai Pawlowitsch (1796?1855), den späteren Zar Nikolaus I., und Michael Pawlowitsch Romanow (1798?1849). Seine Lektionen dienten als Vorlage für von Storchs bedeutendste wissenschaftliche Arbeit, den "Cours d'économie politique ou exposition des principes qui déterminent la prospérité des nations?. 1819 erschien das Buch auf deutsch mit Kommentaren durch Karl H. Rau. Es galt jahrelang als das bedeutendste Werk über Politische Ökonomie und hat auch eine besondere Bedeutung für die Geschichte der ökonomischen Literatur Russlands. Beachtung fand seine Einführung des vierstufigen Zivilisationsmodells von Adam Smith in Russland in modifizierter Form. - Von Storch stützte sich bei seinen Arbeiten hauptsächlich auf die Werke von Adam Smith, wurde aber auch von Jean-Baptiste Say, Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi, Anne Robert Jacques Turgot und Jeremy Bentham beeinflusst, deren Texte er teilweise wörtlich übernahm. Er entwickelte unter anderem die Theorie der "inneren Güter". Darunter verstand er ideelle Besitztümer eines Menschen oder eines Volks, wie moralische Stärke, Intelligenz, Ästhetik, Kultur etc. Für von Storch besteht ein Zusammenhang zwischen ökonomischer und kultureller Entwicklung eines Landes. Entsprechend stellte er Überlegungen an, wie Russland seine kulturelle und wirtschaftliche Rückständigkeit gegenüber Westeuropa überwinden könnte und versuchte, eine Theorie der Zivilisation aus ökonomischer Sicht zu entwickeln (vgl. Wikipedia). - Griep/Luber II, 1353.