Beschreibung:

Jürgen Möbius (*1939 Großenhain), Tektonische Spannung. Öl auf Hartfaser, 47,5 x 60 cm, 49 x 61,5 cm (Rahmen), unten rechts mit "Möbius" signiert und auf "[19]81" datiert. - Obere linke Ecke mit kleinem Ausbruch, leichte Kratzspuren und stellenweise etwas berieben. Provisorischer Galerierahmen mit Gebrauchsspuren. - Urformen der Malerei - zum Kunstwerk Das vor Augen stehende Formgefüge wird vom Bildrahmen überschnitten. Damit eröffnet der Rahmen nicht einen Raum, innerhalb dessen sich etwas präsentiert, vielmehr zeigt er den scheinbar willkürlichen Ausschnitt eines umfassenden Zusammenhangs, der sich als solcher gar nicht einrahmen lässt. Wir sehen Formen, die in einem Spannungsgefüge zueinanderstehen, wobei die einzelnen, sich schier endlos über den Bildrahmen hinaus fortsetzenden schwarzen und braunen Formen bereits in sich eine Spannung aufweisen, da sie nicht einzig Formen, sondern zugleich auch Flächen sind - Formflächen, während der hellblaue Flächengrund zugleich Formen ausbildet, die als Flächenformen in Erscheinung treten. Die Formflächen und Flächenformen sind ineinander verschachtelt und bilden ein alle Elemente einbeziehendes Gefüge aus. Durch die winkelförmige Anordnung der schwarzen und braunen Formflächen weist das Gefüge einen tektonischen Charakter auf. Daher wird die Spannung geradewegs ins Paradoxale gesteigert, indem die vorn präsente schwarze Flächenform im Bildzentrum von der darunter liegenden braunen Flächenform überschnitten wird, was im realen Raum unmöglich wäre. Gerade anhand dieses ,Paradoxons' führt Möbius vor Augen, dass das Paradoxale innerhalb der Malerei Wirklichkeit ist. Es ist gleichsam die ureigenste Möglichkeit der Malerei, welche die Malerei von den anderen Künsten unterscheidet. Im Verbund mit der ebenfalls ursprünglich wirkenden tektonischen Ausformung schafft Jürgen Möbius eine archaische Urmalerei, die allerdings nicht mit dem autonomen Farb- und Formenkosmos des Suprematismus à la Kasimir Malewitsch zu verwechseln ist. Statt farblich homogener in sich perfekter Formen sind die Farben hier bewusst ungleichmäßig aufgetragen und an das Braun auf eine vom Pinselduktus bestimmte Weise das helle Blau hineingemischt worden. An den Rändern der Flächenformen scheint gerade aufgrund des unregelmäßigen Farbauftrags sogar das Holz der nicht grundierten Hartfaserplatte durch. Auf diese Weise veranschaulicht Möbius, dass es sich um Malerei handelt, die eben durch einen Akt des Malens geschaffen worden ist - einen Akt allerdings, der die Urprinzipien der Malerei ergreift und damit die Malerei als solche realisiert. zum Künstler Von 1959 bis 1965 studierte Jürgen Möbius Malerei am Mainzer Hochschulinstitut für Kunst- und Werkerziehung. Zudem absolvierte er ein Studium der Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Mainz. Anschließend war er in Mainz als freischaffender Künstler tätig. Zunächst schuf Möbius Materialreliefs und Installationen, um sich dann, gegen 1974, verstärkt der Konzeptkunst zuzuwenden und filmische Mittel hinzuzuziehen. In dieser Phase verfasste er den manifestartigen Essay "Prinzipien der supranaturalen Landschaft" (1979). Ab 1981 konzentriert sich Möbius auf die Malerei und sucht nach künstlerischen Wegen, in der "Verschmelzung von gegenständlichen und abstrakten Bildelementen, die intellektuelle und sinnliche Wahrnehmung als gleichwertig [zu] behandeln" (Wolfgang Zemter). Inspirationen dazu gewinnt er auf seinen Studienreisen, die nach Thailand und Sri Lanka führen. "[Die reine Malerei von Jürgen Möbius] flutet als zeitloser Ausdruck von Erinnerung und Energie durch uns hindurch, pflügt unsere Wahrnehmung und bringt uns das Glück des Sehens authentischer, unverrückbarer Form." - Philippe Büttner