Beschreibung:

414 Seiten; 21 cm; fadengeh. Orig.-Pappband.

Bemerkung:

Einband mit starken Läsuren / beschädigt; Lagerspuren; Seiten nachgedunkelt; Gebrauchsspuren. - ... An den Gesprächen und Begegnungen, wie sie der andere niederschrieb, wollte ich nichts ändern, so daß denn schließlich meine Aufgabe darauf beschränkt blieb, zu arrangieren und zu gliedern. - Wessen ich mir damals, als ich mich mühsam durch die Blätter, und Notizen hindurehlas, immer stärker bewußt wurde, war dies: Aus diesen Aufzeichnungen sprach einer von jener Generation, die im ersten Jahrzehnt dieses Säkulums geboren wurde, die kaum lesen und schreiben konnte, als der erste Weltkrieg zu Ende ging, und welche die Nachkriegsjahre im Puppenstande der Pubertät durchlebte. Und nun wird erzählt, wie einer aus dieser Generation aus seiner Welt herausgerissen wird und sich über Nacht zwischen Halbgötter und Meister, zwischen politische Hochstapler und Abenteurer, deren Namen in aller Munde sind, gestellt sieht. Da man heute vornehmlich über diese Generation zu Gericht sitzt, mag es nützlich sein, zu erfahren, was einer, der ihr angehört, in jener schlimmen Zeit dachte und tat. - Cappenberg, 17. Juli 1946. W. Th. A. (Vorwort) // INHALT : ERSTER TEIL: FÜGUNGEN - I Kapitel: Fahrt zwischen Gestern und Morgen - II Kapitel: Das gefesselte Wien - ZWEITER TEIL: POLYPHONIE EINER STADT - I Kapitel: Mimen, Meister und Masken - II Kapitel: Operndämmerung - I Kapitel: Galerie von Gestern - DRITTER TEIL: VOM FALSCHEN PRINZEN - I Kapitel: Tageslauf eines jungen Herrn - II Kapitel: Demaskierung - VIERTER TEIL: OLYMPISCHE BEGEGNUNGEN - I Kapitel; Von Ariadne zur lustigen Witwe - II Kapitel: Ecce poeta - FÜNFTER TEIL: TOTENTANZ - I Kapitel: Schattenspiele des Imperfekts - II Kapitel: Der Berliner Mephisto - III Kapitel: Bis der Vorhang fiel - EPILOG. // " ... Szene, Klang, Kunst und Geist . . . Wo in Deutschland war dem aus der zerfallenden Wirklichkeit Flüchtenden solche Gelegenheit geboten wie in Wien, der Marterung durch das überwache Zeitbewußtsein zu entgehen? Als Berlin, München, Hamburg, Köln, Frankfurt sich bereits allabendlich in das Dunkel der Nacht flüchteten, um dem Todesgruß der stählernen Vögel zu entgehen, als dort schon zu hunderten Malen die Menschen aneinandergepreßt das Bersten und Krachen über ihren Häuptern erlebten, da nährte sich Wien noch von der Illusion gesicherten Lebens. Da flammten abends über den Straßen noch die Bogenlampen auf. Da sprach man noch von Dingen der Kunst und des Geschmacks, während sich andernorts bereits die Todesrunen immer tiefer in die Antlitze der Städte und Menschen eingruben. Wien schien das Refugium der Sorglosigkeit. Man promenierte auf dem Ring und in den Parks. Man ging in die Konzerte und Theater. Man speiste in den großen Hotels oder in abseitigen Lokalen im Schatten des großen Domes noch Dinge, die man andernorts längst nicht mehr kannte . . . und mit diskret verabfolgten Douceurs erkaufte sich hier mancher ein Glück, das ihm die Flucht aus der bedrängenden Todesnähe des Nordens und des Westens mehr als verlohnte. Wie es Menschen gibt, die seit frühester Jugend dem Leide vorbestimmt sind, und solche, bis deren Erscheinen die Düsternisse sich scheu verkriechen, indes die Lichter der Daseinsfreude sich ent-zünden, so schien auch Wien für Not und Pein nicht geschaffen. Seine halkyonische Natur schien alles, was das Schicksal ihm zugedacht, mühelos zu verwinden. So glaubte man es aus den Gesichtern lesen zu können, wenn man während der Pausen in den Foyers der Oper oder des Burgtheaters promenierte oder die Menschen in den Restaurants beobachtete oder bei hellem Wetter den Ring herabschritt. So schien es. Und man mußte sich ziemlich auskennen in der Psyche der so vielschichtigen Stadt an der Pforte zum Balkan, wenn man wahrnehmen wollte, wie schwer auch diese Stadt unter ihrer Fesselung litt. Bis man die heimlichen Flüche hörte und den zähneknirschenden Haß spürte. ? " (Seite 41)