Beschreibung:

335 S. ; 25 cm Originalleinen mit Schutzumschlag.

Bemerkung:

Sehr guter Zustand - Aus dem Nachwort von Gert Ueding: Doch ist das Menschenbild der Rhetorik, wie Andersens Buch in jedem Kapitel zeigt, von jedem abstrakten Idealismus frei. Es erfaßt sämtliche Bestimmungen des animal rationale, gerade auch seine instinktgeleiteten, affektischen Seiten; es ist also weit entfernt von dem pädagogischen Intellektualismus eines Sokrates, der bis zu Hegel, Marx und manchem heutigen Erziehungsfachmann unheilvoll weiterwirkt. Das Gute und Richtige erkennen heißt auch - so lautet dieser heroische Irrtum auf eine Formel gebracht - das Gute oder Richtige tun, und wer schlecht oder falsch handelt, tut es bloß aus verkehrtem Urteil oder sittlicher Unwissenheit. Der Rhetoriker nun geht ganz im Gegenteil davon aus, daß es von der richtigen Erkenntnis zur richtigen Praxis ein weiter Weg ist, der alles bringen kann, sogar eine völlige Verkehrung der theoretisch vorgenommenen Absichten: Heterogonie der Zwecke, so hat in unserem Jahrhundert der Psychologe Wilhelm Wundt diese in Beruf und Privatleben, Politik und Gesellschaft alltägliche Erscheinung genannt, daß man ?eigentlich? und ursprünglich etwas ganz anderes wollte, als dann herausgekommen ist. Das gibt es in welthistorischem Maßstab ( das Kommunismus-Beispiel liegt uns besonders nahe ) , aber auch im häuslich-familiären oder beruflichen, und es gibt niemanden, der davon nicht sein eigenes mehr oder weniger garstiges Lied zu singen wüßte. -- Andersens Spaziergang im Garten der Rhetorik führt jenseits von aller Bezauberung durch die Fülle und Vielgestalt eines gewaltigen historischen Panoramas auf eine durchaus praktische Erkenntnis: daß nämlich die alte ars bene dicendi, die zugleich eine Kunst des Beratschlagens, des Handelnkönnens und Entscheidungfindens ist, zur Konfliktlösung in unserer Gesellschaft einen entscheidenden Beitrag leisten könnte, wenn man sich denn ihrer in Erziehung und Ausbildung wieder bemächtigte. Rhetorisierung der Praxis hieß schon für die Antike, Beratschlagen an die Stelle von Direktiven zu setzen und Konflikte durch den Ausgleich der verschiedenen sozialen, ökonomischen und politischen Interessen, nicht durch Obsiegen oder Unterliegen zur Lösung zu bringen. Das unterscheidet eine Arena im Garten der Rhetorik von allen anderen Kampfstätten der Geschichte: daß Spiel und Ernstfall eine Allianz bilden zur Vermenschlichung unserer Welt.