Beschreibung:

132 / 66 / 28 S.; zahlr. Illustr. kart.

Bemerkung:

Gute Exemplare / 3 BÄNDE. - Vorwort von Dieter Brinks. // WAGEN UND WÄGEN - ANMERKUNGEN ZUR BEDEUTUNG DES FRÜHEN INSEL-VERLAGES. Der freundlichen Aufforderung, die hier vorgestellte Sammlung von Werken des frühen "Insel"-Verlags mit einigen Worten zu begleiten, folge ich umso lieber, als ich aus eigener Erfahrung annähernd ermessen kann, welche Hartnäckigkeit und welcher Spürsinn, welche Hingabe an das gestaltete Buch denjenigen begeistert haben müssen, der sie im Laufe von Jahrzehnten zusammengestellt hat. Nur vereinzelt sind bisher Sammlungen vergleichbaren Formats und Niveaus dem Markt preisgegeben worden: 1917 in Berlin der Nachlaß Alfred Heymels, 1951 in Basel die Bestände der Bibliotheken Rudolf Borchardts und Robert Voigts. Teilhabe oder enge Fühlungnahme mit dem Insel-Verlag hatten jede von ihnen begünstigt, sie gleichsam mit ihm wachsen lassen. Die hier präsentierte Sammlung ist ohne diese Vorgaben entstanden. Und man muß sich nur das Schicksal der beiden vielleicht kostbarsten Bücher des Verlags vor Augen führen, um zu erkennen, welche Bedeutung einer Sammlung zukommt, die das Werk des frühen Insel-Verlags noch einmal fast lückenlos dokumentiert. So moderten die zwanzig auf Pergament gedruckten Exemplare der >Dionysos-Dithyramben<, als Feindgut zwangsversteigert, noch Jahre nach dem ersten Krieg im Keller eines Londoner Trödlers, ehe sie, fast ausnahmslos stark beschädigt, von Kippenberg wieder aufgespürt wurden. So wurden die "Eclogen" Vergils kurz vor Ausbruch des zweiten Kriegs durch ein Berliner Antiquariat - ein Sonderprospekt vermied es, den Namen Harry Graf Kesslers, der inzwischen im Exil gestorben war, auch nur zu nennen - wenn nicht verschleudert, so doch geradezu feilgeboten. Was der letzte Krieg weiterhin zerstört und zerstreut hat, soll nicht erneut beklagt werden; wohl aber eine Entwicklung, die in den letzten Jahren die Preise für seltene "Insel"-Ausgaben schwindelerregend hat steigen lassen. Auch sie trägt dazu bei, daß eine so geschlossene Sammlung nicht so schnell wieder ins Licht der Öffentlichkeit wird gestellt werden können, im deutschsprachigen Raum können gegenwärtig meines Wissens nur zwei private Sammlungen, die eine in Wien, die andere in Westfalen, den Anspruch erheben, ihr ebenbürtig zu sein. ? Welch ein Anfang! Blättert man die ersten Hefte der "Insel" durch, nicht nur, um die heitere Individualität der Broschur, die kräftigen Bütten, die klare Schrift, den großzügigen Druckspiegel zu prüfen, so findet man hinreichend dichterische Substanz, um von mehr als von einem literarischen Lausbubenstreich zu sprechen. Ein Erstlingsheft, das zwei Gedichte wie Hofmannsthals "Im Grünen zu singen" und Robert Walsers "Beruhigung" enthält, kann nicht verstauben. Zwei erste Jahrgänge, die Hofmannsthal und Rilke, Borchardt und Walser und Scheerbart zu Wort kommen lassen - all dies um 1900! -, die Übersetzungen Verlaines und Yeats', Maeterlincks und Strindbergs bringen, die Günther und Heinse ans Licht zu ziehen versuchen, werden Bestand haben. Zweifellos blieb die Mehrzahl der Beiträge "Unkraut" und rechtfertigte die captatio benevolentiae der Herausgeber über Gebühr. Die unerträglichen Tändeleien Bierbaums und Heymels, die redseligen Reimereien Schröders, Zweitrangiges stärkerer Potenzen wie Liliencrons und Deh-mels, all dies ließ etwa die sanfte klare Stimme Walsers schwer zur Geltung kommen. Ihn, dessen sich die literarische Öffentlichkeit erst wieder in den siebziger Jahren bemächtigt hat, Scheerbart (immer noch ein Dichter to the happy few), Borchardt, dem weder eine Werkausgabe noch Adornos Zuspruch ex cathedra das verdiente Publikum haben zuführen können: allein diese drei publiziert und an ihnen festgehalten zu haben, gereicht Schröder und Heymel zur literarischen Ehre, selbst wenn der beabsichtigte, einheitlich große Wurf nicht gelungen war. Dieser Eindruck erhärtet sich, überblickt man die Produktion des Verlags der "Insel" bis zum Eintritt Anton Kippenbergs im Juli 1905, also einschließlich der kurzen Ära Poellnitz. Was hier an "künstlerisch wertvollen Produktionen moderner einheimischer Autoren" vorliegt, braucht im gegebenen Zeitraum keinen Vergleich zu scheuen: den drei schönsten Jugendwerken Hofmannsthals stehen Rilkes "Vom lieben Gott", Walsers "Fritz Kochers Aufsätze", Ricarda Huchs "Michael Unger", Kassners "Tod und Maske" zur Seite, allerdings umgaukelt von einem eher bunten als farbigen Reigen solider - Paul Ernst und Ernst Hardt - bis obskurer Provenienz. Und deutlicher als die immerfort zitierten, aber diffusen und gestelzten Vorworte, welche die Herausgeber der Zeitschrift und dem Almanach vorangestellt hatten, verraten Anmerkungen und Buchbesprechungen in der "Insel" ihre weitergesteckten Ziele, so das "Wiederhervorrufen alter, sei es infolge ungünstiger Schicksale, sei es infolge der Verständnislosigkeit von Menschenaltern wenig gekannter oder fast vergessener Kunstwerke". Was hier dem Publikum der Jahrhundertwende präsentiert wurde, verdient Bewunderung: Stifters "Studien", Immermanns "Merlin", Arnims "Isabella", die "Judenbuche" und das "Kreislerbuch", "Gockel, Hinkel und Gackeleia", die "Frauenzimmermoral" der Fürstin Lippe und Sturz' "Schriften". Der geneigte Leser prüfe selbst, welche dieser Werke er kenne, und urteile hernach, ob sie die Ausgrabung - denn um eine solche handelte es sich durchweg - lohnten. Der bestechendste Entschluß aber bleibt der, Heinses "Ardinghello" eine Gesamtausgabe seiner Werke folgen zu lassen. 1923 mit den Aphorismen abgeschlossen, ist sie konkurrenzlos und maßgeblich geblieben - somit auch die gesuchteste und seltenste Gesamtausgabe des Insel-Verlags geworden - und soll erst in unseren Tagen von einer neuen Edition abgelöst werden.