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57 (von 58) Bänden, der letzte reguläre Textband (Tome XLII/ 42) fehlt. 41 (von 42) Textbänden; 6 Supplemente (Text) jeweils mit meist mehr als 600 Seiten und 10 Tafelbände mit 1408 (von 1410) Kupfertafeln. Noch recht dekorative Halblederbände der Zeit mit etwas Rückenvergoldung und je einem roten und einem grünen Rückenschild, Schmuckpapierdeckelbezüge und Lederecken. Alters- und Gebrauchsspuren, Kapitale oft leicht beschädigt, Ecken und Kanten bestoßen, die Deckel berieben. Innen meist frisch, es kommen jedoch auch einzelne Lagen anderer Büttenqualität vor, die dann stärker gebräunt sind. Einige Büttenblätter in den breiten Rändern mit Produktionsfehlern. Anfangs und am Ende der Blöcke oft Abklatsch der noch feuchten Druckfarbe auf die gegenüberliegenden Seiten, dem Zeitdruck bei der Produktion geschuldet. (26,2 x 21 cm) 4°.
Bemerkung:
- "Encyclopédie d'Yverdon" - Die überarbeitete Schweizer Version der "Pariser Enzyklopädie", die Voltaire gekauft hätte:
"Ils ont l'avantage de corriger beaucoup de fautes grossières qui fourmillent dans l'Encyclopédie de Paris ... Pour moi, je sais bien que j'achèterai l'édition d'Yverdon et non l'autre." - "Die erste Encyclopédie im Quart-Format" (Vanessa Keller a.a.O., S. 154) -
Vergl. Darnton, Robert: "The Business of Enlightenment. A Publishing History of the Encyclopédie 1775 - 1800. Harvard University Press, 1979, S. 36 f. Deutsch: "Glänzende Geschäfte. Die Verbreitung von Diderots Enzyklopädie oder: Wie verkauft man Wissen mit Gewinn?" Wagenbach, 1993 (gekürzt)". Brunet II, 701. Graesse II, 389. Poggendorff I, 731 (s. Felice). Lonchamp ("Bibliographie Générale des Ouvrages Publiés ou Illustrés en Suisse Et à l'Étranger de 1475 à 1914 par des Écrivains Suisses") 922. Ebert 6712. Vergl. Keller, Vanessa (Dissertation, Köln, 2017): "Die französische Encyclopédie als praktizierte Aufklärung.", hier insbesonders: "3.4.2.7 Encyclopédie d'Yverdon (1770-1780) S. 168 ff (auch online im Netz zu finden).
Zur Provenienz:
Mit je einer goldgeprägten Klebemarke auf den vorderen Innendeckeln "Malines [Mechelen] Imprimerie Godenne Editeur", die auf die noch heute aktive belgische Großdruckerei verweist: "Imprimerie Godenne, à vos côtés, partout en Belgique depuis 1864. Commandez par téléphone ou par email. Nous livrons dans toute la Belgique." Auf der website findet sich die folgende Selbstdarstellung: "Fondée en 1864 en plein cœur de Namur, l'Imprimerie Godenne changea d'implantation à plusieurs reprises, notamment vers Liège et Bruxelles pour revenir finalement à Namur vers le milieu du 20e siècle. Il y a 30 ans, afin d'assurer son développement, l'imprimerie Godenne, trop à l'étroit en centre ville, déménage en périphérie et gère un flux de commandes réparti sur plusieurs centres de production en Wallonie et à Bruxelles. Plus de 150 ans après sa création, l'Imprimerie Godenne reste l'une des imprimeries familiales les plus réputées en Belgique." Ab dem zweiten Band dann zusätzlich noch ein Namensschild einmontiert: "M. Werbrouck-de Wael" aus Mechelen, der 1842 in einem Katalog als "Rentier" bezeichnet wird, bzw. in späteren Bänden "M. Werbrouck Dewael à Wynegem". Wijnegem ist eine Gemeinde, die ca. sieben Kilometer vom Stadtzentrum Antwerpens entfernt ist. Band 16 ohne die "Godenne"-Marke. Auffällig ist, daß die Textbände zumindest von einem Leser, oder einer Leserin, offensichtlich systematisch gelesen worden sind, denn alle paar Seiten sieht man Spuren eines geglätteten "Eselohrs". Auf dem vorderen Innendeckel des letzten Tafelbandes die handschriftliche Provenienzgeschichte. Die Werbrouck-de Wael's werden als eine Familie aus Antwerpen identifiziert, auch im Besitz eines "Van Reusel", als Lehrer an der "Mechelen Middelbare School" um 1885 beschrieben. Es folgt der Musikwissenschaftler und Stadtarchivar Raymond Van Aerde (1876 - 1944) aus Mechelen, ab dann im Besitz der Druckerfamilie Godenne, zunächst Leopold Godenne (1850 - 1922) in Mechelen, der auch selbst zur Stadtgeschichte publizierte, dann Willy Godenne (1903 - 19983) zunächst Drucker in Mechelen, dann zusammen mt Jos Léonard Werbegraphiker im "Studio Novio", später auch stadtgeschichtlicher und buchkundlicher Autor in Brüssel, der möglicherweise diese Informationen als letzter Eigentümer selbst eingetragen hat.
Im ersten Band die gestochene Tafel "Pl. I Agriculture, labourage" "Gravé sous la Dir.[ection] de Chr.[istian] de Mechel à Basle en 1770", sowie die mehrfach gefaltete Tafel mit dem "Systeme Figure des Conoissances Humaines". Die Enzyklopädie beginnt mit einer Widmung de Félices an den Mitautor Albert Haller, den bedeutendsten zeitgenössischen schweizer Gelehrten. Beigebunden auch ein "Avis aux Souscripteurs" der erklärt, warum die Tafelbände erst nach Erscheinen des letzten Textbandes folgen werden. Mit zahlreichen in den Text eingedruckten Tabellen und Notenbeispielen, oft auch am Schluß oder am Ende der einzelnen Lemmata kleinen Vignetten. Band 19 z.B. mit 11 unpaginierten - aber imaginiert mitgezählten - Blättern Schriftmustertafeln zwischen den Seiten 732 und 755. Die Tafeln teils erratisch eingebunden, jedoch bis auf zwei Doppeltafeln (33 und 34) am Schluß des letzten Tafelbandes die offensichtlich bei der Produktion vergessen wurden beizubinden, vollständig. Die fehlenden Tafeln zeigen Grundriß und Seitenansicht einer Manufaktur. Dafür in Tafelband IV im Abschnitt "IV. Eperonnier" zwei Tafeln mehr als im "Hinweis für den Buchbinder" angegeben. Gefaltete Tafeln, "doubles" oder "triples", sogar "quadruples" dann zwei- bzw. dreifach, oder vierfach gezählt, also insgesamt 1408 Kupferstiche, statt der 1410 laut der Inhaltsverzeichnisse. Hinzu kommen noch die weiter oben genannten Tafeln, die den Textbänden beigebunden wurden und hier nicht mitgezählt wurden.
Wenige Einrisse, oft und durchgehend kleinste Brandlöcher, wohl durch einen rauchenden Leser oder durch die Benutzung von Kerzenlicht verursacht. Vereinzelt auch Bräunungen, die durch Feuchtigkeit entstanden sind. Die meisten Bände sind aus mehreren unterschiedlichen Büttenlagen zusammengestellt worden, so daß sich dickeres und dünneres Büttenpapier, besseres und schlechteres in einem Band und mit unterschiedlicher Erhaltung und Tönung finden läßt. Band 13 (?) mit Wasserspur im unteren Drittel der ersten 80 Seiten. Band 37 auf den ersten Blättern ebenfalls mit Feuchtigkeitsspur, Band 39 mit vereinzelten Flecken, meist im oberen weißen Rand. Die ersten Bände mit zahlreichen Paginierungsfehlern, jedoch ohne Textverlust, dann immer seltener, ab Band 10 hat der Drucker das Problem weitestgehend in den Griff bekommen, Band 17 allerdings wieder massiv fehlpaginiert, minimale Zählfehler jedoch in fast jedem Band, die dann jedoch schnell erkannt und abgestellt wurden.
* The last text volume, (vol. 42) and two etchings are missing, otherwise complete. - Le dernier volume avec texte, tome 42 et deux planches manquent, sinon complet. *
In vielen uns zugänglichen Texten, ob print oder online, wird die Auflagenhöhe der vorliegenden Ausgabe noch immer abweichend zu Darnton a.a.O. (Seite 308; Anmerkung 15/ page 20, footnote 15), der aus einem Brief Félices vom 16. Juli 1779 an die STN (= Société Typographique de Neuchâtel) zitiert in dem der Herausgeber und Drucker selbst 1600 Exemplare als Druckauflage nennt, mit 3000 Exemplaren angegeben. Diese 1600 Exemplare würden zu der Mitteilung passen, die der niederländische Großbuchhändler Gosse schon am 18. Januar 1771 in einem ebenfalls erhaltenen Brief an die STN schrieb: er habe 3/4 der Ausgabe (für Nordeuropa) und die Société Typographique de Berne das restliche Viertel (für Deutschland) zum Vertrieb gekauft. Ebenfalls am 16. Juli 1779 schrieb der Sohn, Pierre Gosse jr. der STN, daß er noch alle 1600 Exemplare erhalten würde, der letzte Band erschien bekanntlich 1780. Diese Informationen flossen, da man mit diesen "Typographischen Gesellschaften" kooperierte. Auch die UNESCO (https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000079624) folgt Darnton: "... Encyclopédie d'Yverdon, printed between 1770 and 1780 at 1,600 copies ...", aber auch Harvard und die niederländische Nationalbibliothek. Und noch einmal zur Klarstellung, die Yverdoner-Enzyklopädie ist auch kein "Raubdruck", sondern eine eigenständige Überarbeitung und Ergänzung der Pariser-Urausgabe:
"(...) Im Unterschied zur 1777 - 79 in Lausanne und Bern erschienenen "Taschenausgabe" im Oktavformat ist die dem Mitautor Albrecht von Haller gewidmete E. nicht nur ein Nachdruck der Pariser Enzyklopädie. Zwar blieb das Werk Denis Diderots und Jean Le Rond d'Alemberts die Hauptquelle, doch de Felice wollte sich vom grossen Vorbild unterscheiden und schuf die Enzyklopädie teilweise neu. Die Sigle (N) kennzeichnet die zahlreichen neuen, (R) die überarbeiteten und (*) die vervollständigten Artikel. Die E. verarbeitete die neuesten wissenschaftl. Erkenntnisse und war im Vergleich zur Pariser Enzyklopädie weniger von der franz. Kultur dominiert und weniger religionsfeindlich ausgerichtet. Deshalb wurde sie auch die "prot." Enzyklopädie genannt und fand im nördl. Europa weite Verbreitung. (...)"
Etienne Hofmann: "Encyclopédie d'Yverdon", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.03.2006, übersetzt aus dem Französischen.
Online konsultiert am 13.05.2023.
"Kapitel 3: Die Enzyklopädisten und ihr Werk.
3.4.2.7 Encyclopédie d'Yverdon (1770-1780)
... Zwar befürwortete De Félice viele Ansätze der philosophes, wofür die große Anzahl von Diderot übernommener Artikel insbesondere in den Themenbereichen Handel und Mechanik spricht. Allerdings setzte er in anderen Hinsichten deutlich andere Akzente, da über die Hälfte der Artikel neu war. Damit erhielt die Encyclopédie d'Yverdon einen vollkommen neuen Zuschnitt und wird als refonte, als Neuguss, bezeichnet. Entsprechend zählt Groult sie zu den Nachfolgern der Encyclopédie.
Die Encyclopédie d'Yverdon zeichnete sich dadurch aus, dass sie europäischer konzipiert war und nicht wie die Pariser Ausgabe hinsichtlich Frankreichs auf einen nationalen Markt passgenau zugeschnitten war. Zwar muss ihre Einstellung zu religiösen oder ethischen Aspekten als konservativer eingeschätzt werden als das Werk der französischen Philosophen, dennoch zeichnete sich die Schweizer Encyclopédie aufgrund der qualitativ hochwertigen Beiträge renommierter Wissenschaftler wie Haller oder Euler durch wissenschaftliche Vorzüge sowie durch einen gewissen Liberalismus aus.
"Through the Yverdon Encyclopédie De Felice made the particularly Swiss brand of lumières known to the rest of Europe: nonsectarian pietism, open-mindedness, scientific curiosity, liberalism, and tolerance."
Ein weiterer interessanter Punkt, der diese Enzyklopädie von Diderots Encyclopédie unterscheidet, lässt sich darin sehen, in welcher Logik Diderot und De Félice ihre Werke sahen. Wo Diderot sich auch dem Fortschritt verpflichtet fühlte und zukünftige Entwicklungen zu antizipieren suchte, sah der italienische Gelehrte diesen Punkt deutlich anders. Für ihn war eine Enzyklopädie in erster Linie "a storehouse of great ideas of the past", mehr noch als Originalität stand für ihn der Nutzen und die Zuverlässigkeit eines solchen Werkes im Vordergrund.
Die Encyclopédie d'Yverdon richtete sich an eine internationale Leserschaft und erreichte die Schweiz, Paris und französische Provinzen; darüber hinaus Spanien, Portugal, Deutschland, Österreich, Böhmen, Polen, die Niederlande und England. Auch Italien wollte De Félice zu seinem Markt zählen, jedoch gestaltete sich der Verkauf aufgrund seiner Exkommunikation als problematisch. Vor allem in den Niederlanden hatte sich bereits die Encyclopédie d'Yverdon etabliert, sodass die Nachfrage in diesen Regionen
bereits gesättigt schien. ..."
ex: Keller, Vanessa (Dissertation, Köln, 2017): "Die französische Encyclopédie als praktizierte Aufklärung", hier insbesonders "Kapitel 3: Die Enzyklopädisten und ihr Werk": "3.4.2.7 Encyclopédie d'Yverdon (1770-1780) S. 168 ff (auch online im Netz zu finden).
* Bitte fordern Sie bei Interesse unsere umfangreichen Anmerkungen an. *