Beschreibung:

483 Seiten Originalpappband mit Originalumschlag.

Bemerkung:

Minimal berieben, sonst sehr gut und sauber - Die Zeit tritt uns in der Geschichte in vielfältiger Form entgegen. Die Unterschiede sind nicht nur oberflächlich; sie reichen bis in ihre kategoriale Struktur. Wir können nicht sicher sein, daß wir fremde Zeiten überhaupt verstehen. Weshalb dachten sich die Arunta die Vorzeit als eine Zeit des "dreaming"? Und weshalb dachten die Maya die Zeit als Gott, von einem Gott auf dem Buckel getragen? Und warum suchte Parmenides aus der Zeit das Werden auszuschließen? Jede Frage nach dem "Warum" einer historischen Zeit fragt nach Gründen, die ihrerseits historischer Natur sind. Ersichtlich versteht man die Zeit nur, wenn man sie in ihrer Geschichte versteht. Nur versteht man ihre Geschichte erst, wenn man sie in der umfassenderen Geschichte des Geistes versteht. -- Die Arbeit über "Die Zeit in der Geschichte" verfolgt dieses doppelte Ziel: die Entwicklungslogik der Zeit aus einer Entwicklungslogik der Geschichte verständlich zu machen. Sie läßt sich deren Grundverständnis von dem historischen Bewußtsein der Gegenwart vorgeben: Geschichte ist für uns Gattungsgeschichte geworden. Wir schließen sie als Geschichte der geistigen, d.h. sozio-kulturellen Lebensformen an die Naturgeschichte an. Auch der Bildungsprozeß der Zeit muß deshalb als Anschlußform verständlich werden. Das ist das Ziel einer Erörterung über "Die Anthropologie der Zeit". -- Der Bildungsprozeß der Zeit selbst ist in seinen Grundstrukturen einsichtig. Zu allen Zeiten nämlich und in allen Gesellschaften ist er in der frühen Phase der Ontogenese eines jeden Gattungsmitgliedes erfolgt, und zwar von jedem einzelnen immer wieder neu. Wir haben Anlaß anzunehmen, daß die frühen Stufen überall gleich sind. Historisch besteht deshalb die Aufgabe darin, den jeweiligen Stand der Entwicklung auf der Erwachsenenebene zu bestimmen. Wenn derzeit mehr und mehr der Zusammenhang zwischen der Ontogenese, Phylogenese und Geschichte entdeckt und diskutiert wird, so ist in der Arbeit eine Theorie entwickelt, die ihn systematisch zu klären sucht. Der Ansatz, die Zeit in ihrer inneren Entwicklungslogik zu verstehen zu suchen, hat einen Forschungstypus entstehen lassen, der lange schon ein Desiderat der Sozialwissenschaften ist: Theorie und Empirie werden in Engführung gehalten. Dabei wird die unabdingbare abstraktive Reichweite der Theorie mit der ebenso unabdingbaren Konkretheit der Empirie in Einklang gebracht. Die Entwicklungslogik der Zeit ist in ihren operationalen Strukturen in allereinfachsten Gesellschaften von Sammlern, Jägern und -- Fischern im Amazonasgebiet untersucht und mit der Zeit einer einfachen Ackerbaugesellschaft in Indien verglichen worden. Als Hintergrund diente dabei eine Untersuchung über die operationalen Strukturen der Zeit in Deutschland. -- Mit den Untersuchungen zur operationalen Struktur der Zeit wurde nur der Anfang gemacht. Die Entwicklungslogik der kategorialen Formen und ihrer semantischen Umsetzung wurde an Dokumenten untersucht, die uns aus der Geistesgeschichte überliefert sind. Sie wurden mit Bedacht aus ganz unterschiedlichen Kulturen zusammengetragen. Einige sind schon genannt, andere, wie die meso- potamische, die chinesische oder indische Kultur, sind gleicherweise in ihrem Zeitverständnis erörtert worden. -- Es sind große Texte - das Gilgamesch-Epos, der Tao te king oder Augustinus' Confessiones -, und es sind große Themen, in denen die Zeit ihre Rolle spielt: die Herkunft der Welt, ihrer inneren Ordnung, die Ewigkeit der Liebe, ihre Kraft, den Tod zu überwinden, das Leben nach dem Tode und andere mehr. So faszinierend jeder der Texte für sich ist, in der Arbeit geht es immer nur um eines: so in ihn einzudringen, daß die Zeit in der innersten Form ihrer Organisation verständlich wird. Die alles beherrschende Frage ist allemal, weshalb sich die Zeit gerade in dieser Form entwickelt und in dieser Weise zum Ausdruck gebracht hat. -- Eine Geschichte, die als Ganzes in den Blick rückt und auf ihre innere Logik als Geistesgeschichte der Gattung hin befragt wird, kann weithin nur in Fallstudien untersucht werden, von denen der Bogen zu den allgemeinen Strukturen des Geistes der Zeit geschlagen wird. Er reicht von der Frühzeit über die ersten Hochkulturen zur griechischen Antike; deren Zeitverständnis wird an Homer, Herodot und Parmenides in seiner Entwicklung deutlich gemacht. Nach dem Frühmittelalter tritt im Hoch- und Spätmittelalter der dramatische Prozeß der Überwindung des traditionalen Denkens in den Vordergrund. Dabei rückt mit der Stadt die auf eine kapitalistische Organisation hinsteuernde Ökonomie als Triebkraft auch der Geistesgeschichte in den Blickpunkt des Interesses. Was Weltzeit meint, ist vom Boden neuzeitlichen Denkens erst noch zu bestimmen. Nietzsche hat es versucht. Die Erörterung seines Zeitverständnisses bildet den Abschluß. ISBN 9783518580004