Beschreibung:

413 S. : Ill. ; 23 cm Originalleinen mit Schutzumschlag.

Bemerkung:

Ein gutes und sauberes Exemplar. - KAPITEL I: Die Essais des Michel de Montaigne sind freie Betrachtungen eines französischen Edelmannes aus der späthumanistischen Zeit des 16. Jahrhunderts, niedergeschrieben zwischen seinem vierzigsten und sechzigsten Lebensjahr, von ihm selber ausgegeben als Zeitvertreib in der Muße seines zurückgezogenen Alters, oft überarbeitet, nicht fertig geworden und auch gar nicht als fertig vorstellbar. Sie handeln von allen möglichen Gegenständen ungleichen Ranges, von der Erkenntnisohnmacht der Vernunft zum Beispiel, oder von konfessionellen Streitfragen, oder von der Heilkunde, von Kalenderreform, Hexenprozessen, Büchern, Pferden, Hausgeschäften, von exotischen Völkern ... In dies alles ist eingeflochten das Nachdenken des Autors über seine eigene Lebensführung, wobei auch dieses Nachdenken von den einfach-alltäglichsten Dingen hinaufreicht bis zu den großen Anliegenheiten des Menschen: Freundschaft, Geselligkeit, Einsamkeit, Freiheit, Sterben. -- Auf den ersten Blick scheint es, als herrsche in diesem Buche eine verworrene Zufälligkeit. Das Gewichtige und das Geringe, das rasch Veraltende und das Ewige unter seinen Themen treibt wie beliebig durcheinander. Erst nach einer längeren Lektüre ergeben sich einige Leitgedanken. Sie bilden die ruhige, wenn auch kurvenreiche Grundströmung. Auf ihrer Oberfläche aber spielen unzählige rasche kleine Wellen aus Anekdoten und Aperçus. Die Essais fallen aus allem herkömmlichen Traktatstil heraus. Montaigne greift nicht planvoll-wol-lend nach seinen Gegenständen. Er horcht, läßt alles, auch das Geringfügigste, auf sich zukommen und ist doch vollkommen sicher, daß die Dinge sich irgendwann einmal öffnen und ordnen, wenn man nur auf sie warten kann. Seine vielbesprochene Skepsis hat wieder den alten Sinn des Wortes : sie ist ein Spähen, vor dem Welt und Mensch nicht ärmer werden, sondern reicher, eine erschließende Skepsis mit der Ehrfurcht vor der Überlegenheit der reinen Erscheinung einer Sache über die immer nur unvollkommene Deutung der Sache. -- Die Essais sind ein Weltbuch geworden. Sie strahlen einen eigentümlichen Reiz aus, für den sich die verschiedenartigsten Leser empfänglich gezeigt haben, auch solche, die man sonst nicht unter dem Publikum eines Philosophen zu finden pflegt. Es ist ein Reiz, der nicht so sehr am Gedachten haftet als an der Beweglichkeit eines Denkens, das weiter schwingt als die einzelnen, aus dem Moment erzeugten, dann wieder fallengelassenen Gedanken. Auch die Art, wie Montaigne spricht, gehört zu jenem Reiz: ein Sprechen voller Anschaulichkeit, mit sehr viel Ironie, nie pathetisch, bar jeder Phrase, meist vertraulich und entspannt, dabei stellenweise mit beträchtlichen Tiefen, ohne doch irgendwelchen Aufwand mit ihnen zu treiben. ISBN 9783772003486