Beschreibung:

251 S., Originalleinen m. Schutzumschlag.

Bemerkung:

Guter Zustand. -- Das vorliegende kleine Buch hat die Aufgabe, auf häufige psychiatrische Fehldiagnosen in der allgemeinärztlichen Praxis aufmerksam zu machen und will versuchen, solche Fehldiagnosen vermeiden zu helfen, indem es eine Einführung in die psychiatrische Differentialdiagnostik vermittelt. Verschiedene Wege der Darstellung des Stoffes boten sich dazu an. Man konnte beispielsweise daran denken, die wichtigsten vorkommenden psychiatrischen Krankheiten nach dem Schema der speziellen klinischen Psychiatrie nacheinander lehrbuchmäßig aufzuführen, ihre Hauptsymptome zu schildern und dann ausführlich auf die bei den einzelnen Krankheiten besonders oft beobachteten Fehldiagnosen einzugehen. Ich glaube, daß eine ganz kurze gesonderte Darstellung der Systematik der heutigen Psychiatrie, die natürlich auch im laufenden Text immer wieder diskutiert werden muß, in der Tat auch in diesem Rahmen unentbehrlich ist, aber ich möchte sie an den Schluß dieser Fibel stellen. -- Eine weitere Gliederungsmöglichkeit könnte nicht von psychiatrischen Krankheitsbildem, sondern von der allgemeinen Psychopathologie ausgehen. Man könnte also Störungen beispielsweise des Wahrnehmens, des Denkens, des Fühlens, Strebens und Wollens, des Icherlebens, des Gedächtnisses, der Reaktionsfähigkeit, der Intelligenz und schließlich der Persönlichkeit schildern und dann aufführen, bei welchen Krankheiten derartige Störungen Vorkommen und wo und wie ihre Feststellung und Bewertung Anlaß zu diagnostischen Irrtümern geben kann. Hier hätte man zweifellos eine bewährte psychologische Ordnung zur Hand, aufbauend auf der in der klinischen Psychopathologie gebräuchlichen Gliederung des Stromes des normalen und abnormen seelischen Erlebens in die "Arten", die "Grundeigenschaften" und den "Hintergrund". Wir werden im Lauf der Darstellung in der Tat sehen, daß zahlreiche hier erörterte Krankheitsbilder sehr entscheidend durch ganz bestimmte psychopathologische Störungen einzelner dieser summarisch aufgeführten Kategorien geprägt sind. Warum wir uns zu einer solchen systematischen Aufteilung des Stoffes nicht entschließen konnten, hat seinen Grund darin, daß innerhalb der einzelnen für die Diagnosenstellung und die diagnostischen Irrtümer wichtigen Symptombilder sehr oft auch Störungen aus verschiedenen anderen Bereichen vorliegen, so daß wir doch stets mehr oder weniger "das Ganze" zu berücksichtigen hätten, um dem wirklichen Leben gerecht zu werden. Außerdem blieben manche Kategorien dieser psychologi-s chen Ordnung für unsere auf die Praxis zugeschnittenen Fragestellungen leer. Für den größten Teil des Textbuches habe ich deshalb einen anderen, unsystematischen Weg gewählt, und zwar habe ich versucht, rein der Häufigkeit nach besonders vordringlich in der Sprechstunde geklagte Beschwerdebilder und Symptomverbände zusammenzustellen. und die differentialdiagnostischen Erwägungen zu entwickeln, die der Arzt, ohne den Apparat einer Fachklinik zur Verfügung zu haben, in Betracht ziehen muß. Daraus ergibt sich dann im einzelnen von selbst, welche Irrtümer besonders naheliegen und welche Möglichkeiten bestehen, ihnen zu entgehen. Der Nachteil dieser Art von Darstellung ist vielleicht eine gewisse Willkür in der Auswahl und Gliederung. Ich kann nur hoffen, daß dieser Mangel durch die Praxisnähe insofern aufgewogen wird, als ich vom einzelnen Kranken und seinen vorgebrachten Beschwerden und den in der Sprechstunde erhebbaren Befunden ausgehe, so wie wir dies täglich im Sprechzimmer oder in der Wohnung der Patienten erleben. Auf den systematischen Ort der einzelnen diskutierten Symptome und Syndrome wird dann in der kurzen psychiatrischen Nosologie des anhängenden zweiten Teiles noch einmal eingegangen. -- Wenn ich mich also bemühe, von der Häufigkeit der in Frage kommenden Sachverhalte auszugehen und zunächst diejenigen Symptome und Symptomgruppierungen (Syndrome) behandele, die dabei besonderen Anlaß zu diagnostischer Verkennung geben, so kann doch dieses Prinzip nicht schematisch durchgehalten werden. Mitunter ist es unerläßlich, von der Leitschnur der Häufigkeit in der Reihenfolge der Besprechung im Text deshalb abzuweichen, weil klinisch Zusammengehörendes sinnvollerweise in der Darstellung nicht auseinandergerissen werden kann, wenn etwa die eine Krankheitsform aus einer nosologisch einheitlichen Gruppe in der Praxis oft, eine andere dagegen nur selten vorkommt. Würde man nämlich auch dann dem Häufigkeitsprinzip treu bleiben, müßte man eine erhebliche Zerfahrenheit in der Stoffdarbietung in Kauf nehmen, die insbesondere den Nicht-Psychiater verwirren müßte. -- Wir halten fest: die Praxis liefert uns zunächst einmal ganz von selbst eine Reihung nach der Häufigkeit der Symptombilder, deren diagnostisches Schwergewicht und deren differentialdiagnostische Ein- oder Vieldeutigkeit wir bei der Untersuchung unserer Patienten zu prüfen haben. So klagen beispielsweise ohne Frage sehr viel mehr Kranke über Störungen des Gefühlslebens im Sinne trauriger Verstimmung, als über Anomalien ihrer Vorstellungen, und in der Sprechstunde begegnen uns viel seltener Angaben über Störungen des Zeiterlebens, als solche über Beeinträchtigung von Gedächtnis und Merkfähigkeit. Dabei ist hier schon darauf hinzuweisen, daß nicht selten diagnostisch entscheidende Schilderungen psychopathologischer Veränderungen und damit natürlich auch Quellen diagnostischer Irrtümer keineswegs vom Patienten selbst, sondern von seinen Angehörigen, von Mitarbeitern, Vorgesetzten usw. stammen. Diese werden beispielsweise über die so überaus wichtigen Erscheinungen einer Persönlichkeitsveränderung oft sehr viel mehr aussagen können als der Proband, während nicht minder entscheidende Symptome beispielsweise aus dem Bereich der Icherlebnisstörungen oder abnormer Sexualprägungen und -tendenzen unter Umständen der Mitwelt verborgen bleiben, sorgfältig "dissimuliert" und erst bei gutem Kontakt dem Arzt anvertraut werden. -- Der Zweck dieser Fibel kann also nicht darin bestehen, eine die gesamte spezielle Psychiatrie umfassende Differentialdiagnostik zu entwickeln und vor jedem einzelnen Holzweg zu warnen, auf den man dabei geraten kann. Es soll ganz betont das Wichtigste, Landläufige für die allgemeinärztliche Sprechstunde hervorgehoben werden. Wenn wir uns so bemühen, nur einzelne Fachkenner interessierende Finessen zu vermeiden, so kann es freilich auch einmal passieren, daß der eine oder andere Leser ein Problem nicht ausführlicher dargestellt findet, mit dem er selbst sich praktisch schon beschäftigt und mit dem er sich vielleicht, angeregt durch ein Konsilium oder durch das Studium der einschlägigen Literatur, eingehender vertraut gemacht hat, als es im vorliegenden Rahmen durch unsere kurze Darstellung geschehen kann. -- Die Beispiele in diesem Buch tragen aus Gründen der didaktischen Prägnanz teilweise Modell- und nicht Protokoll-Charakter. (Vorwort)