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460 S., 62 farb. Abb.Ln.. *neuwertig*Das Format der Literatur, ihre materielle und mediale Erscheinung im handgeschriebenen Codex oder im gedruckten Buch, sind in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Fokus der mediävistischen Forschung gerückt. Der material turn in den Literaturwissenschaften bedeutete die Überwindung der Dichotomie von materieller Form und semiotischem Gehalt von Schrift und Buchkörper. Neuimpulse dieser Einsicht betreffen alle Bereiche des literarischen Prozesses: auf der Produktionsebene die Untersuchung kultureller Praktiken im Schnittfeld von Sprache, Technologie und Körper, auf der Ebene des Textträgers den Beginn der planmäßigen Erschließung und Dokumentation in groß angelegten Digitalisierungsprojekten, auf der Rezeptionsebene den Nachvollzug von visuellen Perzeptionsmodi und den damit verbundenen Sinnbildungsmustern. Doch kann die Erkenntnis, dass Literatur eine gegenständliche Form hat, einen Schritt weiter führen, erfasst man das materiale Buch nicht als autonomes Objekt, sondern erlaubt eine prozesshafte Perspektive auf die genannten Bereiche: Von der Schreibszene und der Konzeption des materialen Textes über seinen Träger bis hin zur intendierten und zur tatsächlichen Rezeption öffnet sich der Blick auf dynamische Verläufe, die hier als literarische Reproduktionsprozesse bezeichnet seien. Aus historischer Warte liegt ein besonderer Reiz dieser Perspektive darin, dass das materiale Buch als Artefakt und physisch erhaltener Zeuge eines solchen Prozesses die ungleich vergänglicheren, situativ gebundenen Konstellationen der Produktion und Rezeption überdauert, welche erst die historische Analyse bedingt erschließen und mit dem materialen Objekt verbinden kann. Zu untersuchen ist damit nicht nur das Verhältnis von Materialität und Textualität, sondern zugleich die Frage nach der Materialisierung und nach der Textualisierung kultureller und historischer Phänomene. Dies verlangt einen historischen Zugriff, der Produktions- und Rezeptionskontexte gleichermaßen in größeren Zusammenhängen und in Mikroperspektive, im Sinne einer Poetik der Kultur, zu untersuchen bereit ist. Die Beiträge dieses Bandes versuchen diesen Schritt zu gehen, indem sie Handschriften und Frühdrucke zugleich als materiale Artefakte und als Bestandteile kulturhistorischer und diskursiver, nicht selten situativer, räumlich und zeitlich begrenzter, eng institutionen- oder personengebundener Prozesse untersuchen. Unter den medialen Bedingungen der Vormoderne, die Produzenten, Medium und Rezipienten räumlich und diskursiv nahe zusammentreten lassen und die einen Codex zum aufwendig gestalteten und kostbaren Besitz machen, sind literarische Reproduktionsprozesse dabei häufig Teil individueller, kollektiver und partizipativer Identitätsbildung oder -repräsentation der beteiligten Personen und Institutionen. Sie tragen in diesem Sinne zur Diskussion um historische Formen der Identitätskonstitution bei.