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821 S. : Ill. Festeinband.
Bemerkung:
Sehr gutes Exemplar. - Thematische Einführung -- Die Erwähnung der Magdeburger Zenturien stößt heute auf eine weit verbreitete Unkenntnis. -- Dabei gelten sie als der erste Versuch einer universal angelegten, lutherischen Kirchengeschichtsschreibung, die schon während ihrer Entstehung für Kontroversen sorgte. Ihr Inhalt umfasst den Zeitraum von der Urkirche der Apostel bis ins 13. Jahrhundert, gedruckt von Johannes Oporinus in Basel zwischen 1559 und 1574 in dreizehn Bänden, so dass ein Band jeweils eine ?Centuria?, ein Jahrhundert, enthält. Mit ihrer Intention, die gesamte Kirchenhistorie auf das eigene Bekenntnis als die einzige evangelische Wahrheit auszurichten, zählen sie zu den wichtigsten Dokumenten lutherischer Traditionsbildung, auch wenn sie diese Aufgabe angesichts ihres monumentalen Umfangs und ihrer sperrigen Erzählstruktur kaum auszufüllen vermochten. -- Schon nach oberflächlicher Beschäftigung mit den Zenturien fällt auf, dass ihr Platz im historischen Gedächtnis zwischen Lobpreisung, Verdammung und Vergessen oszillierte. Das ergibt sich aus der Entstehung in einer Zeit innerlutherischer Kontroversen. Die Magdeburger Zenturien sind das Produkt kollektiver Anstrengungen einer Gruppe gelehrter und überaus streitbarer Theologen um Matthias Flacius Illyricus (1520-1575) und Johannes Wigand (1523?1589), die sich auf ein europaweites Netzwerk zur Beschaffung von Quellen stützte. Viele mittelalterliche Handschriften in Original oder Abschrift wurden nur auf diesem Weg der Nachwelt überliefert. Bei der Organisation ihres Kontaktnetzes spielte der Bedeutung nach noch vor Flacius der Wiener Hofbibliothekar Caspar von Nidbruck (1525-1557) die entscheidende Rolle, ein Mann humanistischer Bildung und milderer Natur, der auch der Methodendiskussion wichtige Impulse verlieh, allerdings zu früh verstarb, um in die endgültige Fassung der Zenturien einzugreifen. Die Koordination der Niederschrift, ihre Korrektur und Redaktion übernahmen Wigand, Pfarrer an der Magdeburger Ulrichskirche, und sein Diakon Matthaeus Judex (1528-1564). Eine ganze Reihe von Mitarbeitern wirkte als Autoren, Exzerptoren und Quellensammler. -- Erster Abfassungsort war Magdeburg. Mit dem Antritt einer Professur in Jena durch Wigand 1560 wurde der Arbeitsort für eine kurze Zeit dorthin verlegt, bis nach einem Intermezzo von wenigen Monaten erneut in Magdeburg schließlich Wismar eine langjährige Station Wigands wurde. -- Magdeburg aber prägte die mentale Konstitution der Gruppe. Es war die Stadt, die dem Kaiser nach dem Augsburger Interim Widerstand bot und 1550?1551 sogar eine einjährige Belagerung überstand. Als Philipp Melanchthon (1497-1560) nach dem für die Protestanten verlorenen Schmal- kaldischen Krieg gegenüber den kaiserlichen Theologen auf Konzessionen einging, um die Lage zu entschärfen, und Fragen der Liturgie für nachrangig, d. h. zu ?Adiaphora? erklärte, solange die lutherischen Lehrartikel der Gnadenwahl Gottes und des Abendmahls unberührt blieben, war den Magdeburger Theologen ein neuer Feind erwachsen. In bewusster Abwendung von Wittenberg bildeten einige von ihnen daraufhin in Magdeburg die ?Cantz- ley unseres Herrgotts?, eine publizistisch überaus produktive und wirksame Autorengruppe, die die Stadt zum neuen Bethulien verklärte, das Wittenberg abgelöst habe. Sie bekämpften sowohl die kaiserliche und päpstliche Propaganda als auch die theologischen Rechtfertigungen der Adiaphorapolitik aus Wittenberg. Die jahrelang in Magdeburg bestehende Bedrohungssituation, auf die die geistlichen und weltlichen Eliten der Stadt publizistisch sowohl mit apokalyptischen Szenarien als auch mit der Grundlegung eines Widerstandsrechts reagierten, formatierte dauerhaft ihre Erkenntnismechanismen. In diesem Klima entstanden, in personaler Teilkongruenz, die Magdeburger Zenturien. Sie sind Produkt eines vielfachen Abgrenzungsprozesses: gegen die Lehrauffassungen der römischen Kirche, gegen politische Eingriffe der Obrigkeiten in geistliche Belange, gegen die spiritualistische Exegese von Täufern, Schwärmern und Schwenckfeldanhängern, gegen die adiaphoristi- sche Bedrohung des Luthertums und gegen die Auslegungen der Wittenberger Theologie um Melanchthon. -- Mit ihrem Verdrängen aus der lutherischen Tradition und dem öffentlichen Vergessen korrespondiert seltsamerweise, dass die Magdeburger Zenturien ?seit fast 200 Jahren immer wieder Gegenstand von Untersuchungen geworden?1 sind. Es gab verschiedene Konjunkturen ihrer Erforschung. Entstanden sind Studien zur Entstehung und zum begleitenden Briefwechsel, zur Anlage des Werkes und seiner kontroverstheologischen Ausrichtung, zu der Sammlung von Quellenhandschriften sowie diverse Spezialuntersuchungen. Sie beschrieben die Zenturien als ein von einem Autorenkollektiv verfasstes Mammutprojekt und theologisch bestimmte Geschidttsschreibung, die zugleich der Handschriftenforschung und -Überlieferung wichtige Impulse gab. Daher kann grundsätzlich die Frage gestellt werden, welche Desiderate einer Erforschung dieser Kirchengeschichte noch bleiben. Beschäftigt man sich mit der Literatur über die Zenturien, wird schnell offensichtlich, dass einige Urteile der Vergangenheit einer vorgebildeten und tradierten Lehrmeinung aufsaßen. ISBN 9783447102506