Beschreibung:

58 S., überwiegend illustriert. Karton.

Bemerkung:

Einband leicht berieben, insgesamt vergilbt, sonst sehr guter Zustand. Zweisprachig Deutsch-Französisch. Mit Widmung des Autors und Beilage. - Über die Figur im geistigen Raum Zu einem Aspekt im Schaffen van Michael Irmer Das künstlerische Werk van Michael Irmer ist von großer Strenge, In allen seinen Bildern, Zeichnungen und Skulpturen dominiert die Figur, selbst dann, wenn diese in mehreren Facetten auseinandertritt. Stets ist sie stelenarlig auf sich selbstkon-zentriert. Sie hat keine Hände, die sich ausbreiten oder gestikulieren. Ihre Beine scheinen aneinandergelegt. Sie steht ein-tach da. Sie ruht in sich. Mumienartig bildet sie eine Senkrechtmarkierung. Sie stellt sich nicht dar oder gar vor, sie findet sich ein ganz souverän. Alles um sie herum scheint zu ihr zu gehören.Es sind räumliche Markierungen: Tore, Türen, Öffnungen; Säulen, Umrisse, Schatten. Sie scheinen ihr einen Ort 2uzuweisen. In Wirklichkeit aber sind sie nichts anderes als Differenzierungen ein und desselbemder Figur. Sie eröffnen verschiedene Spektren. Sie markieren keinen Bildraum,sondern sie sind äußere Erscheinungen einer inneren Wirklichkeit. Auf die figürliche Bedeutung dieser Formen macht schon ihre Parallelität aufmerksam. Immer stehen sie zur zentralen Form in Proportion oder beziehen von dort her ihr Maß und ihre Funktion im Bild. Sie umrahmen gewissermaßen die Figur oder setzen an ihrer Außenseite ansatzweise eine zweite frei. Diese kann wiederum durch ihren Umraum verdeckt oder euch nur im Umriß markiert sein. Manchmal tritt eine zweite Figur gonz in den Raum hinein, dann wiederum ist sie nur anscheinend, imaginär anwesend. Auch die Räume können in Variationen auseinandertreten. Und auch in diesem können sich Figuren zeigen. Aber selbst dann, wenn sie nicht auftauchen, sind sie anwesend. Irmers Räume sind immer voller Figur, sie sind deren Grundbedingung und Basis, auf der sie stehen. Zugleich sind sie deren Resonanz und Licht, in denen sie zur Wahrnehmung gelangen können. Die großen Bilder sind wie ein Ineinander von Räumen und Figuren komponiert. Sie stellen verschieden mögliche Differenzierungen und Ausweitungen des immer gleichen Themas vor. Die Figur ist bei Michael Inner dimensioniert, in Schatten und Strahlungen, die bis ins Räumliche reichen oder durch Räumliches repräsentiert werden. Die spannungsvollen Beziehungen zwischen diesen beiden Elementen hat ein existentielles Fundament. Der Raum als innere Dimension des Figürlichen, die nach außen in Erscheinung tritt, artikuliert das lebendige Bewußtsein und die geistige Freiheit des Subjekts, Die Figur markiert seine Lebensmoglichke'tten, die von Erfahrung und Geschichte, von Begegnung und Betroffenwerden, von Aufbruch und Ankunft, von Gefangensein und Freisetzung bestimmt sind. Sie ist gerade in ihrer ernst schweigenden Prosen; ein beredtes äußeres Zeugnis ihres unsichtbaren Kerns; sie wirkt wie eine Niederschrift, die aus einem sensiblen und zugleich entschiedenen Kampf um die Sache, um die es geht: die Frage nach Person in der Kunst. Es ist die Reflexion auf die frage nach der menschlichen Freiheit und ihrer Ermöglichung;es ist die Analyse nicht nur des menschlichen und künstlerischen Bewußtseins und zugleich die Frage nach den Chancen seiner Selbstfindung, nach der Zukunft des Menschen überhaupt. Wer von der Souveränität, der Selbstverständlichkeit und der Widerständigkeit der Figuren von Michael Irmer berührt ist, wird nach ihren Möglichkeitsbedingungen fragen. Sie erschließen sich, wenn man den Weg ihrer Erstehung nachgeht. Dieser Künstler weist den suchenden Betrachter auf den richtigen Weg, wenn er in seinem Arbeitsbuch JVozeß" die verschiedenen Phasen der Entstehung eines Bildes festhält und so entscheidende Stufen seiner Arbeitsweise fotographisch fixiert. In dieser Arbeit sind verschiedene Zustände und übermalungen einander gegenübergestellt und dokumentiert. So läßt sich der Weg ihrer Entfaltung nachvollziehen. Auch der Titel findet so seine Erklärung. Am Anfang jeder Arbeit steht die leere Leinwand, das weiße Blatt, die amorphe Masse, der bedeutungsleere Gegenstand, So konfrontieren sich Ratlosigkeit, Isolation, Einsamkeit. Nur in einer solchen wüstenähnlichen Situation kann es iu einer genuinen Inspiration und zu einer Kreation kommen, irrner sucht dabei keine Einfälle oder gar Illustrationen. Er sucht nicht einmal eine Formel, Er will für diesen Augenblick nichts anderes als eine güllige Formulierung der Figur, und zwar in dem Ausdruckssystem das er sich konsequent seit seinen Studien bei Gerhard Hoehme, Dieter Krieg und Erwin Heerich erarbeitet hot. Ähnlich wie viele Große dieses Jahrhunderts, Alberto Giacometti etwa oder Joannis Avramidis oder Franz Bernhard untersucht er die Möglichkeiten der Figur in der Kunst, Er sucht sie aber nicht in ihrer Beziehung zum Raum, nicht in der Fraqe nach ihrer Formel nicht in den Auslotungen ihrer Materialisierung; er will die Figur als Figur, je neu, je ganz - und immer nackt. Dabei durchläuft jede dieser Figuren alle Stadien noturhafler/crmwerdung": Geburt, Erziehung, Absetzung, Selbstwerdung, Widerständigkeit. Im einzelnen sieht das so aus: Nach langen Phasen der Entleerung, der Konzentration und der sensiblen Aufmerksamkeit^etzt sich' mit einem Kohlestich der Umriß einer Figur auf den Bild-ader Formträger. Auf der Leinwand beispielsweise ist eine Geburt in Kohle geradezu das schöpferische Herausrufen eines Wesens aus Staub und Asche, mit denen Kohle ihren [...] Material hat sie eine Form und ist dennoch offen für jegliche Veränderung. Offen zum zeichnerischen Geburtsakt, nimmt sie im Detail neue Gestalt an.