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143 S., überwiegend illustriert, 120 ausführlich erläuterte Exponate. Karton.
Bemerkung:
Leicht berieben und stärker vergilbt, sonst in sehr gutem Zustand. - [...] Noch lebten die letzten, selbsternannten Malerfürsten - Piloty, Makart, Lenbach ?, da trat in Frankreich ein junger Mann aus uraltem Adel an die Staffelei und verspottete den aufgesetzten Adel der Gesinnung und der Form, dem das offizielle Kunsturteil der Republik huldigte, weil es darin das antike Bildungserbe zu staatserhaltender Würde geläutert fand. Der Ort der Handlung ist der Salon von 1884, das alljährlich wiederkehrende Ausstellungsereignis, das den Schaulustigen eine Auslese französischer Malkultur vorführt. Eine Auslese oder einen nach demokratischen Spielregeln ermittelten Querschnitt? ?Die Demokratie ist im Salon. Gleichheit, Überfüllung. Es fehlt dort nichts. Das allgemeine Wahlrecht ist eingebrochen in die geheiligten Sphären, wo Cabanel herrscht, und die Ehrenmedaille erhält, wen die Mehrheit wählt." Mit diesen ironischen Bemerkungen eröffnet der zwanzig] ährige Toulouse-Lautrec seine Kritik des großen Kunstauftriebs, der Tausende von Werken der Malerei und der Bildhauerkunst vereinigt. Schon Jahrzehnte zuvor hatte sich Theophile Silvestre über Monsieur Un Franc lustig gemacht, welcher glaubt, mit der Eintrittskarte zum Salon oder zur Weltausstellung das Recht auf unbedarfte Werturteile erworben zu haben, und Daumiers Scharfblick hatte die erschütternd grotesken Situationen genossen, die entstehen, wenn ein biederer Bürger ägyptischer Skulpturen ansichtig wird. Nicht anders beschrieb Zola in ?L'Assommoir" (1876) die Hochzeitsgesellschaft, die im Louvre zwischen dummem Erstaunen und spöttischer Ausgelassenheit hin und her gerissen wird. Es ist, als wollte Toulouse-Lautrec den massenhaften Kunst verschleiß und seine Konsumenten, die blinden Gaffer, aufs Korn nehmen: nicht nur in seiner frech-bissigen Salonkritik, sondern auch in einem gemalten Pamphlet, einer Bildparodie, die zugleich Travestie ist. Zu den am meisten beachteten Bildern des Salons zählte der ?Heilige Hain" von Puvis de Chavan-nes, eine ?zarte Harmonie", von der Andre Michel meinte, daß ?nichts Gewöhnliches oder Niedriges in sie einzudringen vermöchte". Er irrte. Nicht nur gab es Kritiker, denen dieser Zufluchtsort zu erlesen, zu keimfrei und weltenthoben war ? ?Nennt mich einen Barbaren", schrieb L. de Fourcaud, ?aber ich bin ein Bürger Frankreichs und nicht desTcmpe-Tales" ?, auch, der junge Lautrec verspürte offenbar dieses Unbehagen, als er sein Spottbild malte. In die Ruhe eines heiligen Hains ist eine Bande von Flaneuren eingedrungen, die sich darin ebensowenig zu Hause fühlt wie Zolas Hochzeitsgesellschaft im Louvre. Doch in dieser Gesellschaft entdecken wir niemand anderen als den Künstler selbst. Kleinwüchsig steht er zwischen seinen Kumpanen und dreht dem Beschauer ebenso wie den Musen den Rücken zu. In diesem Menschenklumpen ist die Kameraderic angedeutet, in die der Maler, dem im Knabenalter zwei Stürze die Beine verkrüppelt haben, sich zeitlebens flüchten wird. Das Bild ist ein Stück gemalter Kunstkritik: in ihrer profanen Stillosigkeit rebellieren die Eindringlinge - Lautrec und seine Freunde ? gegen das ausgewogene, noble Bildgefüge des Puvis, als wollten sie dessen ?personnages fabrique's en planches decoupees" (Edmond de Goncourt) mit der regellosen Fülle wirklichen Lebens verwirren. Der junge Maler inszeniert ein Sakrileg, er tritt als Mitläufer einer lauten Menge auf (in der sich auch ein Ordnungshüter findet!) und scheint sich mit ihr zu solidarisieren. Der mißgestaltete junge Aristokrat kokettiert mit dem demokratischen Votum, dem er im Grunde mißtraut, und er dringe, solcherart getarnt und einer kollektiven Solidarität teilhaftig, in den heiligen Hain ein, der für ihn zum Inbegriff jener lebensfernen Salonmalerei wird, die Edmond de Goncourt mit dem Witzwort von der ?triste pcinturlure" erledigt, der ?traurigen Malereirei". [...]