Beschreibung:

74 S. Originalbroschur.

Bemerkung:

Aus der Bibliothek von Prof. Wolfgang Haase, langjährigem Herausgeber der ANRW und des International Journal of the Classical Tradition (IJCT) / From the library of Prof. Wolfgang Haase, long-time editor of ANRW and the International Journal of the Classical Tradition (IJCT). - leicht bestoßen und berieben, Einband weist Knicke auf, Bleistiftanmerkung auf Buchrücken, handschriftliche Anmerkung im Literaturverzeichnis, mit Verfasserwidmung. - Einleitung Haly Eben Rodan (Rodohan) Aegyptius, alias Abu I-Hasan 'Ali b. Ridwan b. 'Ali b. Ga'far der Ägypter (geb. 388/998 in Gizeh, gest. 453/ 1061 oder 460/1068 in Kairo), durch Gerhard von Cremona schon dem europäischen Mittelalter bekannt, von der Arabistik des 19. Jh.s nicht allzu sehr beachtet1), ist durch Joseph Schacht und Max Meyerhof der Fachwelt des näheren vorgestellt worden. Ausgangspunkt ihrer Untersuchung war die erhaltene Niederschrift über eine lebhafte medizinischphilosophische Kontroverse, die im Jahre 441/1049-50 in Kairo zwischen Ibn Ridwän und einem christlichen Arzt aus Bagdad namens Ibn Butlan ausgetragen wurde. Das Streitgespräch hatte sich an einigen peripheren Fragestellungen entzündet, zielte aber in Wirklichkeit auf Wesentlicheres, nämlich die Frage, wer von beiden die Gelehrsamkeit der Alten, d. h. das in den Islam eingegangene und ihm adaptierte Gedankengut der hellenistischen Wissenschaft, am reinsten verkörpere. Gegenüber dem sehr sachlich argumentierenden Ibn Butlan macht Ibn Ridwan eine ziemlich klägliche Figur. Das ändert nichts daran, daß er ein tüchtiger Kenner hippokratischer und galenischer Medizin war. Zur Vita Ibn Ridwans sei hier nur vermerkt, daß er, Sohn eines mittellosen Bäckers, zunächst als Straßenastrolog seinen Unterhalt verdienend, vom medizinischen Autodidakten schließlich zum Leibarzt des Fatimidenkalifen al-Mustansir (reg. 427-87/1036-94) aufgestiegen ist, und im übrigen auf die Nachschlagewerke verwiesen. Der von IAUII 103, 23-105,16 überlieferte Schriftenkatalog Ibn Ridwans kann sich mit seinen insgesamt 102 Titeln, von denen wohl einige Dubletten abzuziehen sind, sehen lassen. An die zwanzig sind handschriftlich erhalten, einige davon veröffentlicht. Neben herausragenden, programmatischen Monographien, z.B. über klimatisch bedingte Krankeiten in Ägypten oder über Methoden des medizinischen Unterrichts, zahlreichen Untersuchungen über spezielle Fragen der Medizin, auch der Philosophie und Astronomie, etlichen Kommentaren zu Hippokrates und Galen sind auch zwei Traktate zur ärztlichen Standesethik zu nennen, die Franz Rosenthal entdeckt hat7). Sie finden sich in der Sammelhandschrift Istanbul, Hekimoglu Ali Pasa 691, und zwar: Maqalat Ali b. Ridwan fi saraf at-tibb ?Abhandlung des A.b.R. über den Adel der Medizin?, fol.111b-120b, und Maqalat Ali b. Ridwan fi t-tatarruq bit-tibb ila s-sa'ada ?Abhandlung des A.b.R. über den Weg zur Glückseligkeit durch den ärztlichen Beruf?, fol. 121b-124b. Beide Handschriften sind einstweilen Unica. Ein weiteres Stück des Konvoluts, den Ta'rih al-atibba?, die ?Ärztegeschichte? des Ishaq b. Hunain (fol. 125a-126b) hat Rosenthal selbst ediert und ins Englische übersetzt. Im folgenden soll der arabische Text des ?Weges zur Glückseligkeit durch den ärztlichen Beruf? mit kommentierter deutscher Übersetzung vorgelegt werden als Beitrag zur Geschichte des ärztlichen Standes- bewußtseins und der ärztlichen Ausbildung im islamischen Mittelalter. Diese ?Berufskunde? ist nichts anderes als fortwirkendes griechisches Erbe: an ihrer Wiege stehen natürlich der ?Eid? des Hippokrates, daneben der ?Nomos? und das ?Testament?: alle drei9) waren den muslimischen Ärzten sehr geläufig, wurden von ihnen in immer neuen Ansätzen kommentiert, paraphrasiert oder resümiert und bildeten die Grundlage der ziemlich umfangreichen und wenig erschlossenen deonto- logischen Literatur in der islamischen Medizin. Die Abhandlung des 'Ali b. Ridwän mit dem verheißungsvollen Titel zerfällt in drei Kapitel, die überschrieben sind: 1. Die Schriften des Hippokrates, 2. Nähere Angaben über Hippokrates, 3. Der Weg zur Glückseligkeit durch den ärztlichen Beruf. Die beiden ersten Kapitel sind also protreptischer Art und sollen auf das im 3. Kap. abgehandelte eigentliche Thema vorbereiten. Aus diesem Grunde habe ich die ursprüngliche Absicht, das letzte Kapitel allein zu behandeln, fallen gelassen: es gehört alles zusammen. Dieser Gesichtspunkt bewog mich auch, das 1. Kapitel mit einzuschließen, obwohl seine zweite Hälfte bereits von F. Rosenthal, dem wir für unsere Kenntnis des Fortwirkens der Antike im Islam das meiste verdanken, bearbeitet worden ist. Was die Aufmerksamkeit des gelehrten Verfassers erregt hatte, ist das im 1. Kapitel enthaltene Verzeichnis hippokratischer Schriften, das von den bisher bekannten griechisch, lateinisch oder arabisch überlieferten Titellisten nicht unerheblich abweicht. Um nicht Gesagtes zu wiederholen, sei für diesen Teil auf Rosenthals ?List? verwiesen. Meine eigenen Erklärungen dazu konnten dementsprechend kurz gehalten und zugleich anders gestaltet werden. Der von Rosenthal übersetzte Abschnitt entspricht den Zeilen 65 bis 118 meiner deutschen Übersetzung. Einen zweiten Schwerpunkt der Abhandlung, der das letzte Viertel des 2. Kapitels einnimmt, bildet der weit ausholende Versuch des Verfassers, das Leben des Hippokrates und Galen sowie den Abstand zwischen beiden in das Zeitnetz einzufangen. Das geschieht mit verschiedenen Methoden: Erstens mit Hilfe der festliegenden ? wenn auch vielfach falsch angesetzten ? Regierungsjahre der Herrscher, insbesondere der achaimeni- dischen Großkönige und der römischen Kaiser. Was der Autor seinen Quellen entnehmen kann, ist die jeweilige Regierungsdauer der Herrscher, seltener die absolute Datierung ihrer Regierungszeiten im Rahmen einer nach Jahren gerechneten Zeitreihe. Als zweites Hilfsmittel dient ihm die relative Chronologie an Hand von Synchronismen, d. h. der Nachweis persönlichen Umgangs zwischen Zeitgenossen. Und drittens wird die mathematische oder astronomische Chronologie beigezogen, deren Daten dem Autor mit Recht als die zuverlässigsten gelten, die in dubio die nach der ersten und zweiten Methode gewonnenen Ergebnisse ausschließen. Wenn F. Rosenthal diese Bemühungen des Verfassers, die er nicht weiter untersucht, als ?an excellent chronological discussion? bezeichnet (List 156), wird man ihm kaum widersprechen können. Neben verblüffend genauen Berechnungen stehen, wie nicht anders zu erwarten, arge Verzerrungen: einem Muslim, der gewohnt war, das Weltgeschehen nach der damals einen großen Teil der bekannten Welt beherrschenden Higra-Datierung zu erfassen, war die verwirrende Vielfalt der vorislamischen Zeitrechnungen ganz fremd und unzugänglich. Schließlich sei noch bemerkt, daß Ibn Ridwän nicht versäumt, an zwei Stellen des 2. Kapitels die geographische Position der für seine Untersuchung wichtigen geistigen Zentren nach Länge und Breite auf ptole- mäischer Grundlage zu bestimmen: Rhodos, Kos und Knidos (Hippo- krates), Pergamon (Galen) und Athen (zeitgenössische Philosophen). Das 3. Kapitel, eigentlich der titelgebende Kern der ganzen Schrift, ist nicht nur kürzer als jedes der beiden ersten, sondern nimmt sich mit seinen ethischen Allgemeinplätzen etwas dürftig aus. Er kulminiert in der am Schluß gewonnenen Erkenntnis, daß nur die philosophische Spekulation, ?das Sichbefassen mit der Weisheit und Übung von Gerechtigkeit, Großmut und Redlichkeit?, den Menschen zum wahren Glück führen könne und daß der Arzt, der tagsüber seine Sorge den Patienten zuwendet und abends sich bemüht, ?das Rechte zu tun, über das Reich des Himmels und der Erde nachzudenken? und damit Gott zu dienen, zur Verkörperung menschlichen Glücks geradezu prädestiniert sei. Grundlage aller dieser Gedanken ist, abgesehen von einem thematisch aus dem Rahmen fallenden unhistorischen Demokrit, die Philosophie des Aristoteles, insbesondere die Nikomachische Ethik. ISBN 9783525824085