Beschreibung:

370 S. Originalbroschur.

Bemerkung:

Aus der Bibliothek von Prof. Wolfgang Haase, langjährigem Herausgeber der ANRW und des International Journal of the Classical Tradition (IJCT). - Zustand: Leicht beriebener sowie beschmutzter Einband. Ansonsten im einwandfreien Zustand. - Inhalt: Hellas, das griechische Festland, und im Engeren Athen, steht im Vordergründe unserer Ueberlieferung und unserer Forschung griechischer Geschichte. Daneben hat man schon im Altertum eingesehen, dass eine »griechische Geschichte« in gleicher Weise die Entwicklung der Ost- und Westhellenen, der unteritalisch-sicilischen und der kleinasiatischen Griechen, mit umfassen müsse: aber die Art, in der man die Schicksale der beiden Nebenzweige griechischen Stammes zu denen des Hauptstammes in Beziehung gesetzt hat, war von vornherein eine durchaus verschiedene. Während man die Geschichte der kleinasiatischen Griechen aufs Engste an die Geschichte von Hellas angliederte, hat man die Geschichte der Westhellenen als eine eigene in sich abgeschlossene Entwicklung aufgefasst und dargestellt. An diese Auffassung der Historiker des Altertums haben sich die neueren Darstellungen angeschlossen. Der Grundgedanke dieser Betrachtungsweise ist unzweifelhaft richtig, aber man hat ihn zu scharf und einseitig durchgeführt. In der Tat hat der Westen schon auf Grund seiner geographischen Lage eine grössere Selbständigkeit der Entwicklung besessen: und doch ist man gerade in der letzten Zeit darauf aufmerksam geworden, wie viele Brücken vom Mutterlande hinüberführen, wie eng das griechische Festland auch mit dem Westen verknüpft ist. Und Kleinasien? Hier ist über der mit Hellas so engverwandten, so unmittelbar in jenes Geschichte hineingreifenden Entwicklung das Eigene, Selbständige, das der kleinasiatischen Geschichte ?.rotzdem geblieben ist, vielfach übersehen worden. Unsere Forschung steht den Griechen Kleinasiens gegenüber auf einer wesentlich anderen, niedrigeren Entwicklungsstufe als gegenüber dem hellenischen Westen. Während für den Westen das Material ziemlich geschlossen vorliegt, und aus dem Boden, der jahrtausendelang als Völkerkampfplatz gedient hat, kaum noch viel Neues gefördert werden wird, während eine Geschichte der Westhellenen sich schreiben lässt, so darf an eine vollständige Geschichte der Osthellenen, der kleinasiatischen Griechen, noch nicht gedacht werden. Die wichtige Quelle der Münzen ist für Kleinasien noch immer nicht hinreichend geklärt und erforscht; überdies treten hier Monat für Monat, ja man möchte sagen Tag für Tag neue Denkmäler zu Tage. Und mehr noch ist zu erwarten, da auch die Teilnahme der Sammelnden und Nachforschenden für Kleinasien in stetigem Steigen begriffen ist. Hier bietet sich der Altertumswissenschaft vielfach ein rein jungfräulicher Boden dar. Schon im Altertum sind viele Orte verödet, und als dann im Uebergäng zum Mittelalter die Entvölkerung zunahm, haben die Naturgewalten, Frost und Regen, Erdbeben und Anschwemmung, Ruinen gebildet und mit einer schützenden Erdschicht überzogen. Und auch wo in späteren Zeiten die Besiedlung fortdauerte, so tief durchwühlt, so häufig überbaut wie im Westen ist die Erde hier nicht. Man muss selbst das Land durchstreift-haben, um diesen Unterschied in seiner ganzen Bedeutung zu erfassen und zu empfinden. Die meisten der Funde, die uns jetzt so massenhaft aus Kleinasien zuströmen, gehören natürlicherweise der letzten grossen Culturepoche an, die Kleinasien im Altertum erlebt hat, der römischen Kaiserzeit, aber neben ihnen erscheinen auch Stücke aus früheren Jahrhunderten, aus der hellenistischen, ja aus der ältesten Periode; auch für diese dürfen wir weitere Aufklärung erhoffen. Eine Gesammtgeschichte also der kleinasiatischen Griechen lässt sich noch nicht schreiben. Aber den Schicksalen, dem eigenen Leben Kleinasiens in bestimmten Zeiten nachzugehen, diese eigene Geschichte von der des Mutterlandes abzulösen, ohne dass wir doch den Zusammenhang beider aus dem Auge verlieren: das vermögen wir schon, und das ist die nächste, unerlässliche Aufgabe. Zur Lösung dieser Aufgabe wollen die folgenden »Studien« -inen Beitrag liefern. Sie behandeln eine Periode, in welcher iie Trennung kleinasiatischer und griechisch-festländischer Geschichte auch äusserlich in besonderer Schärfe hervortritt, aber eine Periode zugleich, in der unser Wissen von dieser kleinasiatischen Geschichte ein besonders geringes, zersplittertes ist. Wir besitzen für diese Zeit, wenigstens für den grössten Teil dieser Zeit, keine einheitliche, fortlaufende kleinasiatische Ueberlieferung, es handelt sich vielmehr darum, ein weit verstreutes, dürftiges und sprödes Quellenmaterial nach Möglichkeit vollständig zusammenzuträgen und zusammenzufügen. Dementsprechend unterscheidet sieh die quellenkritische Vorarbeit von der sonst üblichen: es gilt weniger über den Gesammt-wert dieser oder jener Quellenmasse zu entscheiden, als über den besonderen Wert jeder einzelnen Quellenstelle, deren Herkunft uns oft dunkel bleibt. Bei der Verarbeitung des Materials ergab sich von selbst die Kapiteleinteilung nach den verschiedenen zeitlichen und örtlichen Gruppen der Entwicklung, aus denen sich die kleinasiatische Geschichte des IV. Jahrhunderts zusammensetzt. Im Einzelnen ist es mir vor allem darauf angekommen, erst einmal die unentbehrlichen, einfachen Grundlagen mit Festigkeit zu legen, möglichste Sicherheit und Klarheit über die Einzelereignisse wie über die Zeitfolge und Zusammenhänge dieser Ereignisse zu erlangen: wenn für irgendeine so gilt für diese Periode das Niebuhrsche Wort, dass die Chronologie das Auge der Geschichte ist. Jahrbuchartig und vollständig sollte diese Zusammenstellung und Ordnung des Stoffes sein. Manche oft behandelte Frage ist dabei noch einmal durchgesprochen worden, das liess sich, auch wenn der früheren Forschung unmittelbar nichts zuzufügen war, ohne Zerreissung des Zusammenhangs nicht vermeiden. Keine Tatsache war hier zu gering und wertlos, um nicht wenigstens erwähnt zu werden. Ueber diesen Einzelheiten stand mir, allen Abschnitten gemeinsam, der Gedanke des Widerstreits zwischen alter und neuer Zeit auf dem Boden Kleinasiens, das was ich die Vorbereitung des Hellenismus nennen möchte. Ich habe mich bemüht, die grösseren Linien, welche in der Einzelforschung manchmal vielleicht zu verschwinden drohten, in dem einleitenden Kapitel zu einer Zeichnung des Gesammtverlaufes der kleinasiatischen Geschichte des IV. Jahrhunderts bis auf Alexander den Grossen zu vereinigen. Schmerzlich habe ich dabei empfunden, dass es mir auch da nicht in weiterem Umfange mögirch geworden ist, über die Grundlegung der äusseren politischen Vorgänge hinaus den kulturgeschichtlichen Inhalt, das Zuständliche dieser vorhellenistischen Zeit zu erfassen, dass uns auch die massgebenden und führenden Persönlichkeiten dieser Zeit fast ausnahmslos Schattenbilder bleiben, ohne Fleisch und Blut. Ich hatte gehofft, als ich Anregungen von meiner Studienzeit her folgend einzelne Fragen der kleinasiatischen Geschichte des IV. Jahrhunderts zu untersuchen begann, dass es möglich sein würde, noch tiefer einzudringen, aber als ich meine Aufgabe näher umgrenzte, sah ich die Unmöglichkeit ein: unser Wissen, so wie es heute sich darstellen lässt, bleibt dürftig und lückenhaft. Vielleicht wird durch Vermehrung des inschriftlichen und topographischen Materials hier Abhülfe geschafft werden, vielleicht wird es auch mir später einmal in grösserem Zusammenhänge möglich sein, auch von dieser Zeit ein reicheres und klareres Bild zu entwerfen. Zum Schlüsse meinen wärmsten Dank allen denen, die mich im Ganzen wie im Einzelnen bei meiner Arbeit gefördert und mich noch bei der Korrektur der Druckbogen freundlich unterstützt haben, vor allen meinem lieben, herzlich verehrten Lehrer Rudolf Schoell, der zuerst in mir das Interesse an kleinasiatischer Geschichte geweckt hat, und meinen Freunden Erich Marcks und Georg Wissowa. ISBN 9783487078304