Beschreibung:

378 S. Originalbroschur.

Bemerkung:

Aus der Bibliothek von Prof. Wolfgang Haase, langjährigem Herausgeber der ANRW und des International Journal of the Classical Tradition (IJCT). - Beschmutzter und beriebener sowie leicht klaffender Einband. Ansonsten im sehr guten Zustand. - Inhalt: Es ist guter Brauch, einen angesehenen und produktiven Gelehrten zu einem bestimmten Zeitpunkt durch eine Sammlung seiner ?kleinen? Schriften zu ehren. Auch der hier vorliegende Band verdankt seine Entstehung diesem Brauch, insofern er eine Reihe von Abhandlungen aus der Feder des Konstanzer Latinisten Peter Lebrecht Schmidt enthält und seinen Anlaß aus dem Ausscheiden des Gelehrten aus seiner Professur zieht. Indes unterscheidet sich dieses Buch von den üblichen Sammlungen dadurch, daß es nicht allein die Summe einer persönlichen Forschungsleistung zieht, die in bestimmten Spezialgebieten des Verfassers ihren Ausdruck findet. Vielmehr kommt hinzu, daß mit den hier versammelten Arbeiten zugleich eine bestimmte, scharf konturierbare Konzeption der Latinistik dargestellt wird. Textkritik und Überlieferungsgeschichte, Rezeptionsgeschichte, Mittel- und Neulatein: so lauten die drei großen Blöcke, in die die insgesamt 24 Beiträge geteilt sind. Zweierlei ist bereits hiermit kenntlich: Diese Latinistik versteht sich als Wissenschaft, die die gesamte literarische Produktion in lateinischer Sprache verwaltet, ohne bestimmte Epochen aus ihrer Zuständigkeit zu entlassen. Sie ist ferner eine Disziplin, die philologische Methoden und literaturwissenschaftliche Fragestellungen verbindet; hier wird insbesondere die Rezeptionsästhetik eingebracht und in der literarhistorischen Anwendung des Prinzips, daß die Bedeutung eines Textes in seiner Wirkung liegt (traditioneller Weise pflegte die Philologie diese Dimension mit dem Begriff ?Nachleben? zu belegen), die ?Rezeptionsgeschichte? als zentrales Untersuchungsfeld definiert. Ein solches Konzept der Latinistik entstand in den sechziger Jahren, als sich der Niedergang des humanistischen Bildungskonzepts und zumal des Altsprachenunterrichts an den Gymnasien abzuzeichnen begann. Manfred Fuhrmann inaugurierte mit seiner Konstanzer Antrittsvorlesung vom 24.1.1968 einen Neuentwurf, dessen Ausführung zwar de facto die Aufgabe des Modells einer homogenen ?Klassischen Philologie? bedeutete, in der Konsequenz aber die Latinistik (wie auch ihr Schwesterfach Gräzistik) zu einem kompatiblen Partnerfach der übrigen - neueren - Literaturwissenschaften werden ließ. Dieses neue Konzept schuf eine Alternative zur Einordnung der Wissenschaften von der griechischen und römischen Literatur in einen Verband der Altertumswissenschaft(en), wie er am Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Eindruck des Historismus entstand und etwa im berühmten Berliner Institut für Altertumskunde kulminierte. So ertragreich und sinnvoll ein solches Modell ?Altertumswissenschaft? auch ist, so wenig kann geleugnet werden, daß die einzelnen Fächer wesentliche Impulse aus anderen Disziplinen erhalten: die Archäologie aus der Kunstgeschichte, die Alte Geschichte aus der allgemeinen Geschichte und die beiden Philologien aus den Literaturwissenschaften. Für die Latinistik stellt der vorliegende Band paradigmatisch dar, was nunmehr erreichbar ist. Ohne Preisgabe traditioneller philologischer Kompetenzen - siehe hier die exemplarischen Studien zur Überlieferungsgeschichte (Nr. 2-6) - und Aufgabenfelder (geradezu en passant werden substantielle Beiträge zu den ?großen? Autoren wie Cicero, Horaz, Livius, Ovid, Claudian geliefert) werden die theoretischen Horizonte angesprochen, in denen die Latinistik sich jetzt bewegt (Nr. 7 u. 8), die Rezeptionsästhetik in historischer Perspektivierung zugrundegelegt (Nr. 9-16) und schließlich in markanten ?Fallstudien? exemplarische Bereiche des Mittel- und Neulatein erörtert (Nr. 16-24). Die so umrissene Latinistik darf damit den Anspruch erheben, neben einem Kernfach der Altertumswissenschaft eine Disziplin zu sein, die einen unverzichtbaren Bestandteil im Spektrum der Fächer darstellt, deren Gegenstand Mittelalter und Neuzeit bilden. Peter Lebrecht Schmidt wurde am 28. Juli 1933 in Dessau geboren. Als Angehöriger der ?bürgerlichen Intelligenz? - sein Vater war Pfarrer - durfte er kaum darauf hoffen, unter dem SED-Regime, das in den fünfziger Jahren zunehmend in die Belange der Universitäten eingriff, geeignete Studienbedingungen im östlichen Teil Deutschlands zu finden, geschweige denn Zukunftsperspektiven. So wählte er, wie zahlreiche andere junge Menschen seiner Generation, den Weg in den Westen. Sein Studium begann in Tübingen, wo er in den Bann des jungen Walter Jens geriet. Eher der lateinischen Literatur zugewandt, zog es ihn bald zu Karl Büchner nach Freiburg, bei dem er 1959 mit einer Arbeit über Ciceros Schrift De legibus promoviert wurde. Mit Cicero war zugleich auch der Gefährte für Schmidts wissenschaftlichen Weg gefunden (das beigefügte chriftenverzeichnis belegt dies), mit Cicero der ?große? Autor gegeben, der als Klassiker den Philologen wie als Wirkungsmacht den Literaturwissenschaftler forderte. Die Habilitationsschrift (1969, publiziert 1974) vereint beide Perspektiven. Schmidt war inzwischen als Assistent Manfred Fuhrmanns via Kiel nach Konstanz gekommen, wo er sich beim Aufbau der neuen Universität insbesondere um die Bibliothek, das Herzstück jeder geisteswissenschaftlichen Forschungsstätte, verdient machte. Hier gestaltete er als Hochschuldozent und seit 1973 als Professor für Latini-stik innerhalb der Fachgruppe Literaturwissenschaft das neue Konzept von Latinistik mit. Die Bedeutung der Spätantike als der für die Genese des Abendlandes entscheidenden Epoche, auf die Manfred Fuhrmann nachdrücklich hingewiesen hat, exemplifizieren und beweisen zahlreiche Arbeiten Schmidts. Markant etwa artikulieren sich die kleine Claudian-Monographie von 1976 (Schriftenverzeichnis Nr. 25) und die herausragenden Beiträge zur spätantiken Historiographie (Schriftenverzeichnis Nr. 30 und 53). Hier ist auch der Ansatzpunkt für ein wissenschaftliches Großunternehmen, mit dem Peter Lebrecht Schmidts Name unauflöslich verbunden ist: die Erneuerung des ?Handbuchs der lateinischen Literatur der Antike?, des sogenannten ?Schanz-Hosius?. Zusammen mit dem 1994 verstorbenen Reinhard Herzog fungierte Schmidt als Gesamtherausgeber, seit dem Tod des Kollegen in alleiniger Verantwortung. Nur die ihm Nahestehenden wissen, welche enorme Arbeitslast diese Herausgebertätigkeit bedeutet. Die von Schmidt selbst verfaßten Beiträge in den bislang erschienenen Bänden 4 und 5, deren Akribie und souveräne Materialbeherrschung erstaunt, können von der aufgewendeten Arbeit nur eine unzureichende Vorstellung geben. Neben den Arbeiten zur Spätantike mußte für den vorliegenden Band aus Platzgründen auch auf eine adäquate Repräsentation eines weiteren Forschungsschwerpunkts verzichtet werden, der Wissenschaftsgeschichte (siehe Schriftenverzeichnis Nr. 45, 57, 66, 74). Dies ist bedauerlich, da Schmidt in diesen Arbeiten eine pointiert-zugespitzte Analyse der Geschichte des Faches Latinistik entwirft, deren Resultate implizit auf das in diesem Band präsentierte Konzept von Latinistik verweisen. Mit dem Sommersemester 1998 endete die offizielle Lehrtätigkeit Peter Lebrecht Schmidts an der Universität Konstanz. Im Laufe von mehr als 30 Jahren hat Schmidt unzählige Studierende im akademischen Unterricht wie auch im persönlichen Gespräch mit den Grundlagen seines Faches vertraut gemacht, in die Wissenschaft eingeführt und sie zum selbständigen Weiterdenken und -forschen angeregt. Vielleicht ist nun dieser Band seiner Schriften geeignet, nicht nur die Fachkollegen zur Auseinandersetzung mit den hier vertretenen Positionen zu stimulieren, sondern auch Studierende der Latinistik (und anderer Fächer) zum Weiterdenken der gegebenen Anstöße und damit zu einer Fortsetzung der wissenschaftlichen Arbeit im großen Feld der Latinistik zu bewegen. Abschließend sei all denen gedankt, ohne deren Mithilfe dieser Band nicht zustande gekommen wäre: Julia Sonntag (Freiburg), Samira Kalkowski (München), Ralf Kelling, Simone und Stefano Marino (Konstanz), insbesondere aber Martin Dierolf, der kompetent und zuverlässig die Herstellung der Druckvorlagen besorgte. Dem Franz Steiner Verlag und seinem Geschäftsführer Herrn Vincent Sieveking schließlich sind wir für die vorbildliche Zusammenarbeit zu Dank verpflichtet. ISBN 9783515076630