Beschreibung:

Konvolut von rund 50 Dokumenten unterschiedlichen Formats.

Bemerkung:

Konvolut von Unterlagen des 1898 in Dresden geborenen Pazifisten und Lehrers Otto Landmesser aus der Zeit seiner Entnazifizierung. Meist in Abschriften, beglaubigten Abschriften, Durchschlägen, teils in mehrfacher Ausfertigung. ---- Das Konvolut enthält 1. eine Beglaubigung, Landrat zu Bautzen , Abt. Volksbildung, Dezernent Schröder, 31. Juli 1945: "Herr Studienrat a.D. Hermann Reichel und Frau Dorette geb. Gelbke sind mir seit vielen Jahren durch ihre antifaschistische Einstellung bekannt. [...] Beide waren viele Jahre hindurch Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft und sind in ihrer politischen Gesinnung immer vorbildliche Demokraten gewesen. Beide verdienen den Schutz der russischen Kommandatur und die Befürwortung der örtlichen Behörden". --- Enthält 2. ein Zeugnis für den Lehrer Otto Landmesser, Bernhard Schneider, Klotzsche, 21.9.1945: "Der junge Otto Landmesser ist mir auf meinen Spaziergängen öfter begegnet. [...] Als ich ihn einmal in der schwarzen Uniform traf, sprach ich meine Verwunderung darüber aus. Er erklärte mir, daß er nur mit dem größten Widerwillen dieses Kleid trage und durch listige Ausnutzung seines sportlichen Interesses in die SS hineingezogen worden wäre. [...] Otto Landmesser war in seinem Inneren meiner Überzeugung nach stark antifaschistischer Gesinnung und ist daher ganz besonders geeignet, an führender Stelle im antifaschistischen Schulwesen an der Erziehung der Jugend mitzuwirken". --- Enthält 3. Lebenslauf Otto Landmesser, geschildert von seiner Ehefrau Gertrud Schaufuß, verehelichte Landmesser, Dresden, 22. September 1945: "Vom Februar 1917 bis Dezember 1918 wurde er zum Heeresdienst eingezogen und war als Blinker in Mazedonien und Albanien [Gebirsblinkerzug 29]. Ende 1919 legte mein Mann die Prüfung als Schulamtskandidat ab. Von 1920 bis 1925 war er Aushilfslehrer in Dörnthal. Von 1925 bis 1927 ständiger Lehrer in Schland an der Spree. [...] Von 1927 bis Sommer 1930 unterrichtete mein Mann an der Deutschen Schule in Rom. Dort hatte er Gelegenheit das Wachsen des Faschismus zu beobachten. Ich weiß, das[s] dieses Erlebnis ihn maßgeblich bestimmte, der NSDAP fernzubleiben. [...] 1933 wohnte mein Mann noch bei seinen Eltern. Er war seit Oktober 1933 ständiger Lehrer in Dresden. Sein Vater war ein unverhüllter Gegener der neuen Bewegung. [...] Der Blockleiter Birke, Gneisenaustr. 16, brandmarkte die Familie öffentlich in der Nachbarschaft als staatsfeindlich und kommunistisch. [...] Zum Kriegsende war mein Mann Stabsgefreiter im Atlantikstützpunkt Lorien. Ich habe seit Februar 1945 kein Lebenszeichen von ihm. Das Schlimmste, das mein Mann bei seiner Heimkehr treffen könnte, wäre die Tatsache, daß er unwürdig sei, als Lehrer einem freien demokratischen Deutschland dienen zu dürfen". --- Enthält 4. "Beiblatt", ohne Nennung von Verfasser oder Datum: "Herr Otto Landmesser kam Ostern 1935 an meine Schule. Ich war verwundert, als ich erfuhr, daß er der SS angehörte, da ich seinen Vater als eifrigen und treuen Lehrergewerkschaftler kannte. Zunächst übte ich ihm gegenüber Vorsicht und Zurückhaltung. Bald merkte ich, wie harmlos und wie ahnungslos er in politischen Dingen war. Seinen SS-Dienst nahm er nie ernst und suchte ihn zu umgehen, wo er konnte. So übernahm er freiwillig Arbeit in der Schule, um einen Grund zur Dienstbefreiung zu haben. Er ist nie für die Belange der SS oder der NSDAP eingetreten. Als wir ihn genauer kannten, haben wir antifaschistischen Kollegen oft in seiner Gegenwart Witze über die SS gemacht und ihn als 'tüchtigen' SS-Mann aufgezogen. Wir zählten ihn trotz seiner SS-Zugehörigkeit durchaus zu den Unsrigen. Für seine antimilitaristische Einstellung spricht wohl am besten die Tatsache, daß er, obwohl er schon am 1. Weltkrieg teilgenommen, im 2. Weltkrieg nicht befördert wurde. Gegen eine Weiterbeschäftigung des Herrn Landmesser im Schuldienst habe ich nicht die geringsten Bedenken". --- Enthält 5. einen Augenzeugenbericht über eine militärischen Vorfall im Sommer 1940, Karl Hermann Fritz Müller, Dresden, 22.9.1945: "Otto Landmesser hatte seinen Trupp mehrfach im Feindesfeuer eingesetzt und erhielt von seinem Vorgesetzten die Erlaubnis, sich mit seinen Männern in Ruhestellung zu begeben. Nach kurzer Zeit kam der mit dem Zuge betraute Offizier und befahl nochmaligen sofortigen Einsatz im Feindfeuer. Da die Leute völlig übermüdet waren, erwähnte Landmesser die für seinen Trupp gewährte Ruhepause. Der vorgenannte Offizier bezeichnete ihn daraufhin vor versammelter Mannschaft als Meuterer und setzte ihn als Truppführer ab. Er enthob ihn seiner Dienststellung und reihte ihn als Soldaten wieder in einen anderen Trupp ein". --- Enthält 6. eine Bürgschaft, Radebeul, Dorette Reichel, 28.10.1945: "Herr Otto Landmesser ist mir von Jugend her als ein unpolitischer und unmilitärischer Mensch bekannt, wofür ja schon die Tatsache spricht, daß er wegen zu humaner Behandlung seiner Untergebenen vom Truppführer zum Soldaten degradiert worden ist. [...] Sein Eintritt in die SS war keinesfalls ein Ausfluß politischer Überzeugung, sondern weit eher der Versuch, für die ihn gefährdende und belastende Haltung seines Vaters eine Kompens zu finden. Gesinnungsmäßig war Herr Otto Landmesser niemals ein SS-Mann". --- Enthält 7. ein Zeugnis für den Lehrer Ott Landmesser, Franz Reicheneder, Dresden, 20.12. 1945: "Um seinen Vater zu schützen, trat er [...] in die ihm als Sportabteilung geschilderte Nachrichtenabteilung der SS ein. Ich kann bestätigen, daß er sich bald nach seinem Eintritt in die SS-Reserve meldete, in der er lediglich bei den Übungen zur Verleihung des Sportabzeichens mitwirkte. Nach einiger Zeit ließ er sich fast stet durch schulische Verpflichtungen von dem Dienst bei der Nachrichtenagentur befreien. Einige Tage vor Ausbruch des Krieges wurde er zur Wehrmacht eingezogen und hat sich seitdem in der SS nicht mehr betätigt". ----- Das Konvolut enthält mehr als 40 weitere Dokumente, meist aus den Folgejahren (Anträge auf Übernahme in den Schuldienst, Anträge auf Aufenthaltsgenehmigung, etc.). - Landmesser verließ spätestens 1947 die Ostzone und versuchte in Baden(-Württemberg) und Bayern eine Anstellung zu finden. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. - Meist etwas angerändert; teils etwas rissig; sonst und insgesamt ordentlich.