Beschreibung:

392 S., broschiert.

Bemerkung:

Aus der Bibliothek von Hans Jörg Sandkühler. ex libris-Stempel v. H. J. Sandkühler. Einband leicht berieben, hinten u. Buchrücken lichtrandig. - Aus der EINLEITUNG: Jeder der Abschnitte der vorliegenden Arbeit könnte eine eigene Schritt füllen. Dem Verfasser kommt es jedoch entsprechend seiner methodologischen Grundeinstellung in erster Linie auf ein ganzheitliches Verständnis der modernen bürgerlichen Gesellschaft an. Das bedeutet naturgemäß eine Beschränkung im einzelnen. Die Frage nach der Totalität gesellschaftlichen Seins ist der herrschenden Gesellschaftslehre heute uninteressant geworden; sie zieht das Spezialistentum der ?Teilgebiete? der Ganzheitsbetrachtung vor. Aber damit macht sie nur aus der Not eine Tugend, denn in Wahrheit verfügt sie über keine ganzheitliche Methode mehr. Die interessanten und oft geistvollen Versuche seit Giambattista Vico und Helvetius über die zahlreichen Konstruktionen des vorigen und 20. Jahrhunderts wie etwa solcher Denker wie Comte, Spencer, Tarde und Fouille bis Spann und Leopold von Wiese hin und manche andere haben sich als nicht dauerhaft, als zu einer zuverlässigen Deutung der sozialen Phänomene nicht geeignet erwiesen. Das Eingeständnis dieser Tatsache liegt in der Auflösung der Gesellschafts the or i e in eine ?empirische Soziologie?, die sich damit begnügt, die Wirklichkeit in viele Teilerscheinungen zu zerlegen und deskriptiv zu erlassen. So nützlich eine solche Arbeit im Sinne der Vorbereitung des Materials, der Vorarbeit, sein kann, so ungeeignet ist sie im Dienste der Erkenntnis der verborgenen Wesenheiten der Erscheinungen. Wie es eine Tiefenpsychologie gibt, muß es auch eine Tiefensoziologie geben. Eine bloß deskriptive und nicht dialektisch-?verstehende? soziologische Methode vermag statt des Wesens nur den Schein anzubieten, unterliegt dem spontanen und dem reflektierten ?falschen Bewußtsein*. Die einzige geschlossene Theorie soziologischer Ganzheitsbetrachtung, die heute überhaupt noch diskutiert wird, ist die dialektische. Die unheilvolle Dogmatisierung und Verllachung dieser Theorie durch die Schuld ihrer westlichen und östlichen Vertreter hat daran nichts zu ändern vermocht. Seitdem der im Osten und im Westen vielgelästerte Georg Lukacs das Weltbewußtsein auf sein Werk gelenkt hat, in dem er bewies, was sich mit Hille der Dialektik alles an geisteswissenschaftlichen Entdeckungen erzielen läßt, weiß man, daß es mit den verschiedenen besseren und schlechteren Darlegungen dieser Theorie seit Mehring, Plechanow, Kautsky, Max Adler usw. bei weitem nicht getan war. Der Verfasser hat es daher unternommen ? hauptsächlich in seinen Untersuchungen ?Die Wissenschaft von der Gesellschaft? und ?Geschichte und Dialektik" ?, ihren noch unerkannten Tiefen nachzugehen. Das Echo fiel weitgehend positiv aus, auch als er das Wagnis auf sich nahm, in einer umfangreichen Arbeit ?Zur Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft? die herausgearbeitete Methode an vielen ungelösten und sich nur dem Dialektiker als solche darbietenden Problemen der neueren Geschichte zu erproben. Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, der, wenn auch von stärkerer soziologischer Prägung, auf der gleichen Linie liegt. Die hier überwiegend stark verbesserten und erweiterten Vorarbeiten zu dieser Schrift sind in den letzten Jahren in zum Teil sehr angesehenen Organen Deutschlands erschienen. Wir erwähnen hier nur die folgenden: Schmollers Jahrbuch, Deutsche Universitäts-Zeitung, Zeitschrift für Politik, Handbuch der Soziologie (Hrsg. Prof. Ziegenfuß), Die Aufklärung; von den sozialistischen Organen: das Periodikum für wissenschaftlichen Sozialismus, Die neue Gesellschaft und Funken. Mit einer nicht vorhergesehenen Verspätung, wahrscheinlich erst nach Erscheinen dieser Schrift, sollte Studium Generale (Springer-Verlag) nachfolgen. Darauf ist nunmehr verzichtet worden. Diesen Organen, ihrem demokratischen Anstand vor allem, fühlt sich der Autor zu aufrichtigem Dank verpflichtet. Es ist be-schämend und soll nicht verschwiegen werden, daß während der größte lebende marxistische Denker Georg Lukacs neuerdings in Budapest von der Mitarbeit an der dortigen Zeitschrift für Philosophie ausgeschlossen wird, ein ihm in der theoretischen Richtung nahestehender Autor die Möglichkeit erhält, in bürgerlichen Organen zu publizieren. Gewiß ist die Sachlage andererseits wiederum nicht ganz so einfach, denn auch. im Westen sind die Möglichkeiten, eine von der sozialistischen Auffassung getragene Schrift in den den Büchermarkt beherrschenden bürgerlichen Verlagen unterzubringen, außerordentlich geringe. Die ideologische Gebundenheit trägt die Schuld; aber nicht minder tragen die Schuld jene Vertreter der auf der Linie des Marxismus liegenden Anschauung, die noch immer nicht begriffen haben, daß nur eine unnachsichtige Abgrenzung gegen alle stalinistischen Residuen das Vertrauensverhältnis zwischen der sozialistischen Wissenschaft und dem Publikum wiederherstellen kann. Die offene und herbe Kritik, die Lukacs in seinem neuesten Werk ?Wider den mißverstandenen Realismus' am Stalinismus übt, ist für jeden um den Sozialismus besorgten Geist unserer Zeit eine Verpflichtung. Es bedeutet nur ein durchsichtiges und deshalb auch höchst schädliches Versteckenspiel, wenn manche Leute so tun, als ob sie nicht wüßten, daß diese Kritik mit der Rede Chruschtschows am 20. Parteitag begonnen hat. Noch eine Bemerkung zur Sache selbst. Der heutige Mensch stellt in seiner sozialen Typik dem wissenschaftlichen Betrachter eine schwere Aufgabe, denn er ist noch immer ein weitgehend unerhelltes ?Geheimnis?. Wahrscheinlich wissen wir vom Arbeiter mehr als vom Angehörigen der führenden Elite, vom Bürokraten mehr als vom Intellektuellen, vom durchschnittlichen Kleinbürger mehr als vom durchschnittlichen Großbürger. Aber von allen wissen wir zu wenig. Die Aufhellung dieser Erscheinungen kompliziert sich nicht zuletzt auch deshalb, weil das, was wir ihr Wesen zu nennen pflegen, von ihrer gesellschaftlichen Funktion nicht zu trennen, in gewissem Sinne mit ihm identisch ist. Der Autor ist weit davon entfernt, endgültige Lösungen geben zu wollen. Aber seine Interpretationen stellen Versuche dar, die solche Erscheinungen wie Staat, Bürokratie, Elite, Intelligenz usw. in ein anderes als das gewohnte Licht stellen, obgleich an manches angeknüpft wird, was aus der Tradition kommt. Wichtige Anregungen hat der Verfasser Georg Lukacs zu verdanken. Aus diesem Verhältnis zu Lukacs erklärt sich auch, daß er in seinen eigenen Untersuchungen auf Resultate stieß, die später auch von Lukacs ausgesprochen wurden. So sei auf die beiden, teilweise auch in der vorliegenden Schrift zu Wort ommenden Ansichten verwiesen, daß der bürgerliche extreme Subjektivismus, wie auch, auf einer völlig anderen Ebene, der talinsche ?romantische Realismus" zwangsläufig in einen oberflchenhalten Naturalismus ausmünden. Beide Gedanken habe ich in verschiedenen Organen lange vor Lukacs? ?Wider den mißverstandenen Realismus?, wo er seinerseits beide entwickelt, ausgesprochen...