Beschreibung:

und mit einer Einleitung und Anmerkungen versehen von Hans Günter Zekl; Im Anhang eine eine Auswahl aus der Narratio prima des G. J. Rheticus / Philosophische Bibliothek ; Bd. 300.. LXXXIV, 254 S. ; 20 cm, Leinen m. Schutzumschlag.

Bemerkung:

Aus der Bibliothek von Hans Jörg Sandkühler. - VORWORT: In der hier vorgelegten Ausgabe nimmt die Anordnung copernicanischer Texte erneut veränderte Gestalt an. Warum dies nicht anders sein kann, ist in der Einleitung aufgezeigt. Die Auswahl ist noch näher zu begründen. Das ganze, umfangreiche, schwere Werk De revolutionibus orbium caelestium ist heute Gegenstand vor allem des Historikers der Astronomie und der Naturwissenschaften; insoweit bleiben die Fragen speziell, der Kreis der Leser klein. Das Buch hat aber gewaltige philosophische, bewußtseinsverändernde Konsequenzen gezeitigt, die sollten einem breiteren Publikum offengehalten bleiben. Dabei muß das Wesentliche leiten, und es trifft sich gut, daß sowohl Copernicus selbst wie auch Rheti-cus die erwünschten Fingerzeige geben. Die grundlegende Sonderstellung von rev. I im Ganzen ist also klar; man kann es aus einsichtigen Gründen für sich nehmen.2 Mit dieser Grundsatzentscheidung bleibt noch einiges offen, (a) die hermeneutische Problematik aller Übersetzung überhaupt, (b) die Notwendigkeit der Erschließung so voraussetzungsreicher Texte durch kommentierende Anmerkungen, (c) in diesem speziellen Fall die Frage, was denn alles zu diesem I. Buch gehört. Zu (a): Das Zweisprachenprinzip ist eine moderne, ehrliche Lösung; es läßt den Autor selbst in der Sprache, in der er denkt und schreibt, auch zu Wort kommen, so daß kompetente Rezipienten den Übersetzer von da aus kontrollieren, ggf. korrigieren können. Zu (b): Es besteht Übereinstimmung darin, daß der historische Abstand zu Copernicus im 20. Jh. so groß geworden ist, daß man dem Leser Unterstützung an die Hand geben muß, ihm den Zugang zu einem Text aus dem 16. Jh. zu erleichtern. Zu (c): Es wird hier von dem Befund ausgegangen, daß Copernicus in seiner ursprünglichen Organisation der Diskurse mit dem heutigen Kapitell, 12 das II.Buch beginnen lassen wollte. Aber das I. Buch endet im Autograph nicht direkt mit 1,11, sondern den geplanten, ins Reine geschriebenen, dann aber gestrichenen Schluß bildete der Lysis-Brief. Dieser ist für so wesentlich zu halten, daß er auf keinen Fall zu unterschlagen ist (so bei Klaus et al.), noch in den Apparat abgeschoben werden sollte. In diesem Punkt ist also der ursprüngliche, frühe Zustand wieder hergestellt. Das gilt auch für das Proömium, das in den Ausgaben NBA fehlt, aber aus dem Autograph zurückzuholen ist. Es gehören aber auch die Additamenta der Editio princeps zum copernicanischen Unternehmen und seiner Rezeption: Der Widmungsbrief an den Papst (1542), die Osian-der-Präfatio, der Schönberg-Brief. Es sind also mit dieser Textzusammenstellung früheste und späteste Schicht miteinander vereint, so wie die copernicanische Intention eine einheitliche war. Die Revolutiones sind nachweislich ein lange zur Veröffentlichung gereiftes Werk. Zu den frühen Spuren, die auf sie hinführen, zählen der Commentariolus und der Brief gegen Werner. Eng verknüpft mit dem schwierigen Herauskommen der copernicani-schen Theorie ist schließlich die Narratio prima des Rheticus, so sehr, daß man sie geradezu unter die copernicanischen Traktate einreihen konnte.4 Alle genannten Texte zu einem grundsätzlichen Umriß des copernicanischen Ereignisses zu vereinen, erscheint als ein sinnvolles Unternehmen: das Werden des Ganzen kann so, wenigstens in den Grundzügen, nachvollzogen werden. Den lange stiefmütterlich behandelten Werner-Brief auch in deutscher Übersetzung zur Verfügung zu haben, wird leicht Akzeptanz finden. Vom Commentariolus ist zwar eine gute Ausgabe greifbar;5 trotzdem ist dieser Traktat hier aufgenommen, in dankbarer Benutzung des vom astronomischen und mathematischen Fachmann aufgearbeiteten Materials, doch in der Absicht, in Übersetzung und Kommentierung etwas mehr Textbezug herzustellen und in philosophiehistorischer Hinsicht weiter zu kommen als er. Der Commentariolus als Rohform der Revolutiones gibt auch die Möglichkeit, über Buch I, wenigstens im Allgemeinen, hinaus auf die übrigen Teile zu schauen. Die Texte sind in folgender Form gegeben: Rev. I nach der Warschauer Ausgabe (1953); die dort nicht enthaltenen Stücke (Osiander-Präfatio, Schönberg-Brief, ursprünglicher Buchschluß) nach der Münchner Ausgabe (1949), deren profunde Epilegomena (p. 403 ff.) jeder Herausgeber gern heranziehen wird; die für heutige Begriffe eigenartige und in sich nicht konsequente Orthographie ist so belassen, wie man sie im Autograph bzw. der Ed. princ. findet; Werner-Brief nach Prowe, N. C., II, 172ff., Commentariolus nach Rossmann. Die Übersetzung ist für diese Ausgabe neu gefertigt. Andere Überlegungen waren bei der Narratio prima anzustellen. Sie ist kein copernicanischer Text, doch unlösbar hängt sie mit dem Werk zusammen; als Zeitdokument, Begleittext, Einführung oder Quelle ist sie unentbehrlich, und man hat sie beim Copernicus-Studium stets gern dabei. Doch setzt hier der Umfang einer Ausgabe wie dieser Grenzen. Wer den Originaltext braucht, wird ihn bei Prowe, N.C., II, 293 ff. oder in der Warschauer oder der Thorner Ausgabe finden;6 die Übersetzung von K. Zeller7 ist längst vergriffen, eine Neuauflage wäre wünschenswert. Die Narratio prima enthält aber auch viel Ephemeres, Überholtes, Spezielles: nach eigenem Eingeständnis des Verfassers ist sie ein schnell hingeworfenes Produkt, das sich selbst nur als eine Hälfte versteht (eine Narratio secunda ist nie erschienen), erwachsen aus einer begeisterten, gierigen Rezeption der ersten drei Bücher der Revolutiones. Angesichts erkennbar assoziativer Fügung und der Disparatheit der Stücke darf man hier kürzende Eingriffe verantworten. Im Anhang dieser Ausgabe ist eine Auswahl aus der N.p. gegeben, die nach Maßgabe entstehungsgeschichtlicher und systematischer Relevanz erfolgt ist und etwas mehr als die Hälfte des ursprünglichen Bestandes wiedergibt. Die Übersetzung ist nach Zeller. In den Anmerkungen sind Ergebnisse des Gelehrtenfleißes gesammelt und ein kleines Stück weiterentwickelt. Das Literaturverzeichnis kann nur einen kleinen Ausschnitt bieten. Die Fülle der Forschungsliteratur von 1509 bis 1955 ist erfaßt bei H. Baranowski, Bibliographia kopernikowska. Warschau 1958. Eine gewaltige Sammel-Leistung bedeutet auch in dieser Hinsicht E. Zinner, Entstehung und Ausbreitung der copernicanischen Lehre. Erlangen 1943, mit einem Verzeichnis von 785 Veröffentlichungen. Es ist sehr dankenswert, daß dies wegweisende Buch soeben eine 2. Auflage erfahren hat,8 in der die Herausgeber die Liste bis ins Jahr 1987 auf 1179 Titel fortgeführt haben. Weitere fachhistorische Literatur zu Astronomie und Kosmologie findet sich bei J. Teichmann, Wandel des Weltbilds. Darmstadt 1983, S. 292-300, und B. Kanitscheider, Kosmologie. Geschichte und Systematik in philosophischer Perspektive. Stuttgart 1984, S. 467-493. ISBN 9783787309481