Beschreibung:

32 S., broschiert.

Bemerkung:

Aus dem Nachlass von Gerd Winkelhane (1949-2018), ab 1989 Leiter des Klaus Schwarz Verlages. Sehr guter Zustand. - Im Namen Gottes EINLEITUNG Der im Alter von 43 Jahren unter mysteriösen Umständen verstorbene Dr. Ali Schariati gilt als Theoretiker der Islamischen Revolution. Obwohl diese Bezeichnung zum Teil richtig ist, wird sie seinem Wirken während der Formierung der iranischen Opposition im In- und Ausland nicht ganz gerecht. Ali Schariati hat zwar mit seinen mehr als 200 Büchern, Aufsätzen und Reden einen immensen Einfluß auf die islamische Bewegung innerhalb der Revolution gehabt, seine Aktivität beschränkte sich jedoch nicht auf die Theorie. Er gehörte zu den Wissenschaftlern, die bereit waren, die Erkenntnisse ihrer Forschung in die praktische Tat umzusetzen. Nichts war ihm verhaßter als theoretisieren um der Theorie willen. Die kritische Distanz zur Wissenschaft verstand er nicht als Passivität; die aus Wissenschaft und Forschung gewonnenen Erkenntnisse waren für ihn verpflichtend. Sie trugen dazu bei, überzeugend zu handeln. Daher ist eine Parallelität in Theorie und Praxis des revolutionären Denkens und Handelns während der gesamten Zeit seines Wirkens sichtbar. Er beeinflußte nicht nur die islamische Bewegung vom Schreibtisch aus, sondern organisierte, demonstrierte, agitierte und hielt lange Reden auf allen möglichen Versammlungen. Der aufgeklärte islamische Gelehrte, der während seines langen Aufenthalts im Ausland auch die westliche Wissenschaft gründlich kennengelernt hatte, wurde im Laufe des langen Widerstandes gegen das Schah-Regime zum Vorbild der kritischen jungen Generation, die nicht bereit war, alles Westliche unbesehen über die eigenen traditionellen Werte zu stellen. Beseelt von der monotheistischen Weltanschauung des Islam setzte sich Ali Schariati schon in jungen Jahren mit den Dogmen und Vorurteilen menschenunwürdiger Anschauungen westlichen und orientalischen Ursprungs auseinander und forderte die Abschaffung jeglicher Unterdrückung und Ausbeutung zum Aufbau einer idealen Gesellschaft. Indem er die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen in einer Gesellschaft der Nachkommen von Kain forderte und für eine Gesellschaft frei von jeder Art von Unterdrückung eintrat, machte er sich frei von marxistischen Zwängen. Er stellte den idealisierten Typ des Menschen in den Mittelpunkt seiner Betrachtung ? ein Ebenbild Gottes auf Erden. Ein Mensch mit Würde und Geist, dem die Freiheit der Wahl seiner Ziele zugebilligt wird. Ein Mensch, der keine Autorität außer Gott und den Verkünder seiner Worte anerkennt, dem die Beziehung herrschen und beherrscht-werden unter den Menschen fremd ist, der sich auf dem Wege zur Vollkommenheit zu Gott von allen materiellen und unmenschlichen Zwängen frei macht, der bereit ist, für die Freiheit des Anderen zu leiden. Das Leiden in Schariati's Denkweise ist keine mystische Passivität. Dort nimmt es die Form eines aktiven Kampfes an. Der ideale Mensch von Schariati erkennt und handelt. Keine von den beiden letzten Forderungen nimmt eine geringere Stellung im Wirken Schariati's ein. Was das Erkennen der gesellschaftlichen Zusammenhänge betrifft, verfährt er so, wie man es von einem in der islamischen Tradition verwurzelten Gebildeten und Kenner der philosophischen Schulen erwartet: Vorurteile und Selbstgefälligkeiten der aufeinander wirkenden Gesellschaften läßt er nicht gelten. Er lehnt den Aberglauben der eigenen und die Überheblichkeit der westlichen Gesellschaften ab. Der Soziologe Ali Schariati ist in gutem Einvernehmen mit dem islamischen Gelehrten Schariati. Sein Interesse an der Geisteswelt des Westens hindert ihn nicht daran, sich mit den negativen Erscheinungen dieser Welt auseinanderzusetzen. Er bekämpft zwar die Auswüchse des östlichen Aberglaubens, tritt aber für die Wahrung der echten islamischen Tradition ein. Er bewundert zwar die großen Zivilisationen, lehnt sich aber gegen die unreflektierte Übernahme jeglichen suspekten sozialen Verhaltens in andere Gesellschaften auf. Kommt er in Berührung mit der westlichen Ideenwelt, ist er frei von der Empfindlichkeit der neuen Herren und von dem Minderwertigkeitsgefühl der alten Diener. Er behandelt sie mit der Unvoreingenommenheit eines Wissenschaftlers, der geschichtsbewußt und weltoffen ist. Er vermag die echten Werte der zivilisierten Welt und die negativen Erscheinungen der modernen Gesellschaft zu unterscheiden. In der folgenden Rede 1) hat Schariati versucht, die Merkmale des Modernismus zu beschreiben und sie von der Zivilisation zu unterscheiden. Er geht dabei auf die Ursachen des Modernismus in den rückständigen Gesellschaften ein und möchte herausfinden, warum die zivilisierten Gesellschaften es für notwendig erachten, der Dritten Welt ihren Modernismus unter dem Namen der Zivilisation zu verordnen. Auch für die Völker der Industrieländer dürfte es nicht von geringem Interesse sein zu erfahren, welche Wege der Westen in der Dritten Welt beschreitet, um die totale Konsumgesellschaft im Interesse des eigenen Wachstums aufzubauen.