Beschreibung:

187 Seiten Taschenbuch

Bemerkung:

Mit Strich auf Fußschnitt als Mängelexemplar gekennzeichnet, jedoch textsauber und vollständig. Friedrich Wilhelm II., von dem im Folgenden die Rede sein soll, war ein Mensch des Rokoko. Dieses herrschte im 18. Jahrhundert in Deutschland, Frankreich und Italien. Die Menschen und die Gesellschaft des Rokoko hatten in den verschiedenen Ländern gemeinsame Züge. Man war gelöst, kapriziös, galant, geistreich; man war von Stimmungen beherrscht, bald himmelhoch jauchzend, bald zum Tode betrübt. Alles das kennzeichnet vornehmlich die Haltung des Adels und des Bildungsbürgertums der damaligen Zeit. Diese Atmosphäre und diese Lebensart der Gesellschaft des Rokoko schildert Boswell in dem Tagebuch seiner großen Reise von 1764, die ihn durch Deutschland und die Schweiz führte1. Die literarische Vollendung fand die schon zur Romantik sich wandelnde Gesellschaft des Rokoko im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in Goethes Werther, der 1774 erschien. ?Es gab eine Werther-Epidemie, ein Werther-Fieber, eine Werther-Mode ... und das nicht auf ein Jahr, sondern auf Jahrzehnte hinaus in Deutschland, England, Frankreich, Holland, Skandinavien.? Geistig herrschte die Aufklärung und der Rationalismus, vor denen die Religion in ihrer das geistige Leben bisher beherrschenden Stellung zurücktreten mußte. Kant sagte: ?Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.? In Kants Bahnen wandelten Mendelsohn, Garve und Nikolai in Berlin. Die Theologie folgte der Philosophie. Der Glaube an den Buchstaben der Bibel wurde in den gebildeten Schichten verspottet. Friedrich der Große und Voltaire waren in Preußen die Vorkämpfer gegen die Lehren des kirchlichen Glaubens, welche der Freiheit des Geistes zuwider waren. Der Theologe Spalding will die Lehre von der Dreifaltigkeit und alle Mysterien von der Kanzel verweisen, und der Theologe Büsching wendet sich 1770 gegen den Inhalt der symbolischen Bücher. Hermann Samuel Reimarus (1694?1768) bestreitet die Möglichkeit einer göttlichen Offenbarung, die für alle Menschen gilt. Er unterzieht die Bibel einer historisch-kritischen Untersuchung und kommt ebenso wie Johann Salomo Semmler (1725? 1791) zu einem undogmatischen, streng geschichtlichen Schriftverständnis. Die Befreiung des Geistes führte damals zu einer Lockerung der Sitten. Das Kapriziöse und Galante des Rokoko mündete in die Herrschaft schöner und geistreicher Frauen. Soweit die Gattinnen des Adels und der gekrönten Häupter dem Schönheitsideal nicht entsprachen, suchten große und kleine Fürsten, geistliche und weltliche Herrscher in einer Mätresse das zu finden, was sie in den Ehefrauen vergeblich suchten. Es gehörte bald zum guten Ton, daß Fürsten und Männer von Geltung eine Mätresse besaßen, die Leben und Sitten am Hofe maßgeblich beeinflußte. Eine Ausnahme machte nur Potsdam. Dort war kein weibliches Wesen, das dem großen alternden König die Tage verschönte. Er fand nur Befriedigung in rastloser Arbeit für seinen Staat und im Umgang mit geistvollen Männern und den Mitkämpfern seiner großen Kriege. Der Respekt vor ihm hielt auch die Höfe der Brüder von der Beherrschung durch das illegitime weibliche Element frei. Die Persönlichkeit des Königs gab dem Staat und der Gesellschaft, die diesen Staat trug, einen ausgesprochen asketischen Zug. Dem König lag daran, die feudale, vom Adel beherrschte Gesellschaft zu erhalten. Deshalb stellt der Adel die Mehrzahl der staatlichen Verwaltungsbeamten und das Offizierkorps. Dem Adel gehörten die großen Rittergüter, die der Agrarverfassung Preußens das Gepräge gaben. Dennoch wünschte der König, daß die Bauern davor geschützt wurden, von den adligen Rittergutsbesitzern gelegt zu werden. Neben der Erhaltung des großen Grundbesitzes und seiner Förderung durch Bodenverbesserungen und durch die Gewährung billiger, langfristiger Realkredite schuf der König neue Bauernstellen mit freien, unabhängigen Bauern. Hebung des Wohlstandes und Vermehrung der Bevölkerung waren das Ziel dieser friedericianischen, merkantilistisch orientierten Wirtschaftspolitik. Ihr Leitsatz war: Menschen sind der größte Reichtum. Diese populationistische Note (Salin) war im preußischen Merkantilismus besonders ausgeprägt. Deshalb wurden Gewerbe und Industrie, und hier besonders Textil- und Seidenindustrie, planmäßig gefördert und ihnen im Inneren ein Markt durch hohe Zölle gesichert. Zölle, Verbrauchs- und Einfuhrverbote regelten den Außenhandel, um das Land wirtschaftlich möglichst autark zu machen. Das Preußen Friedrichs des Großen sollte ein wohlhabender, nach den Grundsätzen des ordentlichen Hausvaters regierter und verwalteter Staat sein. Die Ansammlung eines ?bereitesten Vermögens?, wie es der Kameralist Justi vorschlug, sollte eine ordentliche Finanzgebarung des Staates gewährleisten und ihm einen Notpfennig für die Zeiten des Krieges oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten gewähren. (aus der Einleitung) ISBN 9783428002030