Beschreibung:

Ca. 110 S.; farb. illustriert; 26,5 cm; kart.

Bemerkung:

Sehr gutes Ex. - Die Legende über den Künstler Gama besagt: Er wurde 1977 in der Mongolei als Sohn von Nomaden geboren, erlebte in seiner Kindheit das Licht und die Weite der Steppe, die Großtante eine bedeutende Schamanin, Birkenwälder waren Passagen zu einer jenseitigen Welt, Wiedergeburt und Seelenwanderung kulturell verankerte Gewissheiten. In Peking widerfährt ihm zum ersten Mal urbanes Leben, Häuser, Architekturen, im Boden fest verankerte Wohnräume; Studium an der Kunstakademie - er wurde als einer von zwölfen unter zwölftausend Bewerbern zum Studium zugelassen -, das Leben voller Entbehrungen, um existieren zu können, verdient er sich seine tägliche Schale Reis mit dem Kopieren von van Goghs Sonnenblumen und da Vincis Mona Lisa, entdeckt neben der traditionellen europäi-schen Kunst in Ausstellungskatalogen auch die der Gegenwart: Baselitz, Polke, Richter. Deutschland, das Land unverwüstlicher Automobile und Malereitraditionen: 2002 schafft er es an die Karlsruher Akademie, wird 2007 Meisterschüler bei Gustav Kluge - schließlich gelingt es ihm, sich als freier Künstler in Berlin zu etablieren. Soweit zur kurz gefassten Biographie Gamas, vom Künstler selbst bezeugt. In einen anderen Kulturkreis versetzt und durch die Wiederholung westlicher Interpreten wird sie zur Legende. Da treffen zwei Erfahrungswelten aufeinander, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Als Langnasen deutscher Provenienz können wir es uns heute kaum mehr vorstellen, ohne die Segnungen und Sicherheiten westlicher Zivilisation aufzuwachsen, ohne festen Wohnsitz, Haus und Automobil, ohne Stipendien und Künstlersozialkasse - ohne eine Wirklichkeit, die als Umwelt rational beherrschbar erscheint, unsere individuellen Freiheiten und die neuesten sozialen und technologischen Errungenschaften garantiert. Existenzielle Abgründe werden tabuisiert oder in den sozioökonomischen Kreislauf eingespeist und verwertet. Wer sich dennoch ein geistiges Sensorium und wenigstens rudimentäres kulturelles Gedächtnis bewahrt hat, neigt zur Adaption extrakultureller wie z.B. fernöstlicher Versatzstücke (Stichworte: Spiritualität, Karma, Wiedergeburt). Ob diese individuellen Adaptionen zu einer Wirklichkeit durchdringenden, Wirklichkeit erzeugenden, letztlich kulturstiftenden Aneignung führen, die über das Fremde das Eigene wiederentdeckt und neu interpretiert, kann gegenwärtig nur als offener Prozess betrachtet werden. Der Hinweis mag genügen, um im Umkehrverfahren Gamas seiltänzerische Balance zwischen Ost und West zu verdeutlichen - und die künstlerische Kraft, die er im Spannungsfeld von Bewunderung, Selbstverleugnung, Inspiration und Beschwörung daraus schöpft. Für ihn ist seine Vergangenheit in der Mongolei ein "schwarzes Moor" und die westliche Moderne gestalterische Freiheit. Zwischen diesen beiden ambivalenten, farbschillernden Polen explodiert seine Malerei, die nach eigener Aussage nichts anderes sein soll als "Farbe auf Leinwand" und recht eigentlich ein straff gespanntes Seil ist, auf dem der Künstler traumtänzerisch über Abgründe wandelt. Auf diese Weise entstehen Räume und Figurationen, deren existenzielle Verortungen und Verhaltungen authentische, imaginär real erfahrbare Bildwirklichkeiten erzeugen. ? (Vorwort Velten Wagner) ISBN 978940021427