Beschreibung:

VI + 114 S. Priv. Lwd. späterer Zeit, mit aufgezogener RTitelei., Abbildung

Bemerkung:

EA. - Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung, Bd. 2. - R. leicht berieben, leichte Gbrsp. Schönes Expl. - Carnap, (1891 - 1970), wurde als Sohn des Webers Johannes S. Carnap und der Lehrerin Anna, geb. Dörpfeld, geboren. Die Eltern waren tief religiös, gleichzeitig aber sehr tolerant; bewußt praktizierten sie das Christentum als Mittel zur Führung eines guten Lebens. Diese Grundhaltung der Toleranz prägte Carnap für sein Leben, und dies insbesondere dann, als er sich, beeinflußt durch die Schriften Goethes zum Christentum wie auch der Schriften von Ernst Haeckel und Wilhelm Ostwald, vom Christentum abwandte und sich eine teils atheistische und teils agnostische Lebenseinstellung erarbeitete. In der Zeit seines Studiums in Jena und Freiburg/Breisgau 1910-14 schloß er sich der Jugendbewegung an, ohne allerdings deren Tendenz zum Nationalismus mit zu vollziehen. Vielmehr entwickelte er gegen Ende des Ersten Weltkriegs -- den er teils an der Westfront und teils im Militärinstitut in Berlin verbrachte -- ein Konzept eines undogmatischen und insbesondere nichtmarxistischen Sozialismus, genauer: eines auf den Grundsätzen eines politischen Liberalismus beruhenden Konzepts des ökonomischen Sozialismus. Dieses behielt er zeitlebens bei, da er einerseits der Ansicht war, daß das System des Kapitalismus die Menschheit in den wirtschaftlichen und damit auch sozialen Abgrund steuert, und da er sich andererseits ein unbeirrtes Vertrauen in die Fähigkeiten der menschlichen Vernunft bewahrte: Die von einem Höchstmaß an Vernunft geleiteten Entscheidungen auch in den Bereichen des Alltags müssen nach seiner Sicht schließlich im individuellen wie auch im sozialen Bereich die Oberhand über die durch Emotionen und Triebe gesteuerten Entscheidungen haben, eben weil sie -- anders als diese -- die Auswirkungen nüchterner Abschätzung sind und damit letztlich die größere Überzeugungskraft haben ... Nur geduldiges, präzises Arbeiten in kleinen Schritten, Baustein für Baustein sozusagen, ausgeführt durch immer mehr Menschen, die vom Erfolg eines solchen Arbeitens angesprochen werden, führt die Menschheit demnach weiter. Dies gilt dann auch und in besonderem Maß für die Philosophie, die nicht durch neuerliche, Luftschlössern gleichende grandiose Entwürfe, sondern durch minutiöse Kleinarbeit in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten vorangebracht und zu einer Wissenschaft entwickelt werden kann; als Instrument dieses Arbeitens benützte er die symbolische Logik, die er in Jena bei Gottlob Frege sowie aus den Schriften von Bertrand Russell kennengelernt hatte. In seinem Buch über die Grundlagen der menschlichen Erfahrungserkenntnis zeigte er beispielhaft, wie ein solcher Weg zu begehen sei. Mit dieser Schrift habilitierte er sich 1926 bei Moritz Schlick in Wien, und er publizierte sie 1928 unter dem Titel Der logische Aufbau der Welt; sie machte ihn mit einem Schlag international bekannt und berühmt. In Wien begründete er mit Schlick und Neurath eine Diskussionsrunde, die unter dem Namen "Wiener Kreis" bekannt wurde und die seit 1930, zusammen mit dem "Berliner Kreis" unter Hans Reichenbach, die Zeitschrift "Erkenntnis" als Organ dieser neuen, eine Einheitswissenschaft anstrebenden philosophischen Richtung herausgab. 1931 wurde Carnap auf den Lehrstuhl für Naturphilosophie an der Deutschen Univ. in Prag berufen; in den Jahren danach besuchten ihn namhafte junge Wissenschaftler aus der angelsächsischen Geisteswelt, unter ihnen insbesondere Willard Van Quine von Harvard und Charles W. Morris aus Chicago. Da sich in den Jahren danach an dieser Deutschen Univ. der Nationalsozialismus zunehmend ausbreitete und die liberalen Strömungen unterdrückte, nahm er 1936 einen Ruf an die University of Chicago an und erhielt 1941 die Staatsbürgerschaft der USA. In Chicago gab er, nach dem durch den Krieg bedingten Ende der Zeitschrift "Erkenntnis", zusammen mit Morris und Neurath die Serie International Encyclopedia of Unified Science heraus, als erneuter Versuch, den exakten Philosophien eine publizistische Plattform zu verschaffen. Ganz im Sinn seiner philosophischen Offenheit verfaßte er 1934 das zweite Hauptwerk Logische Syntax der Sprache, in dem er sein berühmtes Toleranzprinzip propagierte. Dieselbe Offenheit führte ihn insbesondere in den Jahren 1932-36 dazu, das Erstlingswerk von Karl R. Popper gegen die vehemente Kritik seiner Freunde zu verteidigen und zu fördern, obgleich dessen Vorstellungen eines wissenschaftlichen Skeptizismus nicht zu seinem letztlich optimistischen Weltbild paßten. Seine Übernahme eines geläuterten Wahrheitsbegriffs von Alfred Tarski führte seit 1940 zum Zerwürfnis mit Neurath, der in Carnaps präzisem Verfahren nicht ein zusätzliches intellektuelles Instrument sehen konnte, sondern einen Rückfall in finstere Metaphysik vermutete. Er konzipierte und entwickelte damals auch die induktive Logik als das System induktiver Methoden und vervollständigte diese Arbeiten seit 1954 in Los Angeles, wo er die Nachfolge des dort verstorbenen Reichenbach antrat. (DBE)