Beschreibung:

[I] (16), 766 Seiten. - [II] (4), 767-1602 Seiten. - [III] (4), 1603-2258 Seiten, (104) Seiten Register und Errata, (2) weiße, (8) Seiten Buchhandelsanzeigen. - Die durchgehende Paginierung durch nicht paginierte Zwischentitel und Vorreden unterbrochen. - Mit etwas Buchschmuck (Kopfstücke, Bordüren und figürliche Vignetten) in Holzschnitt. 8° (18 x 11,5 cm). Pappbände um 1820 mit schwarzen Prägepapierbezügen, vergoldeten Fileten und Rückentiteln sowie grün gefärbtem Schnitt.

Bemerkung:

Schönes Exemplar der ersten und umfassenden, über lange Zeit maßgeblichen, freilich nicht unumstrittenen Zinzendorf-Biographie aus der Feder eines seiner engsten Vertrauten und späteren Spiritus rector der Brüdergemeinde. - Spangenberg (1704-92) hatte u.a. bei Buddeus Theologie studiert und Zinzendorf 1727 in Jena kennengelernt. 1730 schloß er sich den Herrnhutern an, zwei Jahre später wurde er nach Halle als Adjunkt der theologischen Fakultät berufen. Statt jedoch die von vielen erwartete Versöhnung mit den dortigen Pietisten herbeizuführen, wurde Spangenberg bereits ein Jahr später wegen Verdachts auf Separatismus abgesetzt und wechselte endgültig nach Herrnhut, worauf Zinzendorf erklärte: "Halle und Herrnhut sollen von nun an geschieden sein und bleiben" (Brief vom 1. September 1733). Nach mehreren Missionsreisen kehrte Zinzendorfs "originaler Amerika-Mann" zwei Jahre nach dem Tod des Grafen in die Brüdergemeinde zurück und war bis zu seinem Ableben Direktoriumsmitglied und -als maßgeblicher Vordenker der Unität- de facto dessen Nachfolger. Mit seiner "Idea Fidei Fratrum" leistete er eine systematisch-dogmatische Ausformulierung der Brüder-Theologie; eine "Normierung der Lehre, durch die ein Abgleiten ins Sektenhafte [?] verhindert werden konnte" (BBKL). - "Es ist ihm gelungen, theologische Einseitigkeiten und Sonderlehren Zinzendorfs auszugleichen und die Gemeinen durch einen klaren Biblizismus stärker an die Landeskirchen anzuschließen. Freilich ist dadurch die Brüdergemeine in traditionellere Bahnen gedrängt, aber auch von innen gefestigt worden" (Dietrich Meyer in TRE). - Seine chronologisch geordnete Lebensbeschreibung Zinzendorfs ist nicht nur eine unverzichtbare Quelle für die Erforschung der Herrnhuter, sondern zugleich selbst als Zeugnis der eigenen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der Brüder höchst aussagekräftig. Ihre Bewertung durch die Forschung ist zwiespältig. Während Heinrich Döring 1835 noch halbwegs positiv urteilt ("Seine biographische Schilderung [?] verschwieg neben den lobenswerthen Eigenschaften jenes berühmten Stifters der Brüdergemeine auch seine Mängel und Schwächen nicht, wiewohl er über die letztern mehr den Schleier nachsichtiger Beurtheilung warf"), bemerkt Gerhard Reichel in der Realencyklopädie (1906): "Von der Synode 1764 mit der Lebensbeschreibung des Grafen beauftragt, kamen ihm selbst über dem Schreiben die schwersten Bedenken vor der Veröffentlichung [?] Die Darstellung leidet unter der ursprünglich auch nicht beabsichtigten chronikartigen Einteilung nach einzelnen Jahren. Überdies liegt sein Streben nach geschichtlicher Wahrhaftigkeit mit seiner apologetischen Zurückhaltung beständig im Kampf. Damit ist der offiziellen Geschichtsscheibung der Brüdergemeine auf Jahrzehnte hinaus ihr Stempel aufgedrückt". H.C. Hahn schließlich erkennt in Spangenbergs "ausführlicher, faktenreicher, aber kritikarmer Lebensbeschreibung [?] das Bemühen, die Brüdergemeine wieder kirchlich stubenrein zu machen [?] Dieses Werk ist in seiner Tendenz leider mehr hagiographisch als zu eigener kritischer Stellungnahme herausfordernd" - im Gegensatz zu "Schrautenbachs faszinierender Zinzendorf-Biographie, deren Veröffentlichung bis 1851 verschleppt wurde" (Das Bild Zinzendorfs, in: Neue Aspekte der Zinzendorf-Forschung, 2006, S. 258f.) - Zu Spangenberg vgl. die nach wie vor instruktive Darstellung von Gerhard Reichel: A.G. Spangenberg. Bischof der Brüderkirche, 1906. - Ohne das Portraitfrontispiz, das nicht allen Exemplaren beigebunden war. - Die guten Einbände an den Kanten, Kapitalen und Ecken berieben und etwas bestoßen, kleine Verluste im Bezugspapier. Rücken von Band 2 mit leichter Längsfalte. - Band 2 am Schnitt etwas angestaubt und leicht fingerfleckig, innen wenig gebräunt und gelegentlich minimal braunfleckig, ansonsten sauber und wie die anderen Bände wohlerhalten. - Zwei ältere Bibliotheks-Stempel auf den Titelblättern, schöne handschriftliche Widmung aus dem Jahre 1903 auf dem Innendeckel des ersten Bandes ("Dem l. Freunde unserer Familie, Heinrich Barth gewidmet, zum frdl. Andenken an unsern treuen Vater. Eduard Grunewald. Halbseit/Mähren"). - Als Anhang zu Band 3 ein für die Antiquariats- und Buchhandelsgeschichte außerordentlich interessantes "Verzeichniß der Schriften der evangelischen Brüdergemeine, welche in dem Buchladen zu Gnadau bey Christoph Ernst Senft um die bemerkten, zum Theil beträchtlich herabgesetzten, Preise zu haben sind" aus dem Jahre 1816; letztes Blatt dieser Annoncenliste mit Insektenfraß (Buchstabenverlust). Angeboten werden nicht nur aktuelle und zeitnah erschienene Bücher, sondern auch Drucke, die 50 Jahre und älter sind, darunter so bekannte Werke wie Cranz' Historie von Grönland (1770-73), dessen Alte und neue Brüderhistorie (1772), Layritz' Christliche Erziehung der Kinder (1776), Loskiels Geschichte der Mission unter den Indianern in Nordamerika (1789), Oldendorps Geschichte der Mission auf St. Thomas, Crux und Jan (1777), Düvernoys Editionen der Predigten und Reden Zinzendorfs in London, Pensylvanien u.a. (1756ff.), Zinzendorfs Deutsche Gedichte (Neue Auflage 1766) und Spangenbergs vorliegende Zinzendorf-Biographie, "Sämmtliche 8 Theile verlassen für 1 Rthlr." - Meyer, Bibliogr. Handbuch Zinzendorf-Forschung C 720. - RGG³ IV, 223. - Realencyklopädie³ XVIII, 557ff. - Döring, Gelehrte Theologen IV, 247ff. - TRE VII, 229. - BBKL X, 872ff.