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262 S.; 8°. Orig.-Halbpergamentband; Schuber.
Bemerkung:
Sehr gutes, sauberes Ex.; der Schuber etwas lichtrandig. - Nr. 322 (von 950 Exemplaren). - Hauptmann hat später erwogen, dem ganzen Roman den Titel "Erdmann" zu geben. Solchermaßen dem Pater Christophorus durch den Titel wieder das Schwergewicht zu nehmen hätte zwar dem Ziel entsprochen, dem das Ganze des Romans nach Hauptmanns eigenen Worten zustreben sollte: "Wäre dem Werk Vollendung beschieden, so müßte am Schluß eine Verkörperung des deutschen Menschen dastehen und darüber, gegenwärtig und in die Zukunft weisend, der neue Mensch." Das hatte Hauptmann nach dem vorläufigen Abschluß der beiden ersten Konvolute im Vorwort zu dem Druck des Fragments von 1943 gesagt. Doch was ihm tatsächlich auszuführen gewährt war, zeigt eindeutig das Übergewicht der Gestalt des Paters. Das gilt sowohl für das hier vorgelegte Fragment, der letzten Redaktion einer in sich zusammenhängenden und auf dieser Stufe von Hauptmann als endgültig angesehenen Fassung des Textes, als auch für die umfangreichen, teils verworfenen, teils in später auszuführende Zusammenhänge verwiesenen oder überhaupt nur bruchstückhaft konzipierten Texte, die zusammen mit dieser "endgültigen" Fassung erst den gesamten Schaffenskomplex "Neuer Christophorus" darstellen. Durchweg überwiegt nicht nur der quantitative Anteil der oft ausdrücklich, fast immer aber dem Wesen nach monologischen Meditationen des Bergpaters ; auch in der inneren Ökonomie des Werkes kommt der Entfaltung der von ihm artikulierten geistigen Positionen und inneren Gesichte das bei weitem größere Gewicht zu. Der Autor hat hier, sollte sich darin letztlich ein Scheitern seiner eigentlichen Intention anzeigen, der Wahrheit Tribut entrichten müssen - jener immanenten Wahrheit der dichterischen Schöpfung, die nicht willkürlich über die Grenzen der geschichts- und schicksalsgebundenen Wirklichkeit hinaus erweitert werden kann, wenn immer es ihr um diese Wirklichkeit geht. So ist denn die Gestalt Erdmanns, insofern sie unserem Bewußtsein als der wiedergeborene Menschensohn und Erlöser, als der neue Mensch oder das durch den Zeitenstrom hindurchgerettete "Kind der Kultur" eingezeichnet werden soll, notwendig von schwächerer künstlerischer Konkretion als die des Paters Christophorus. Dessen gleichsam doppelte Existenz als mythische Symbolfigur und als menschlich-leibhaftiger Weiser ist seiner gestalthaften Vergegenwärtigung durchweg integriert. Die zwiefältige Realitäts- und Sinnebene der Gestalt Erdmanns aber widersteht der Integration in viel höherem Maß: Die mythische Figur ist hier, abgesehen allerdings von der Grabgeburt-Erzählung, fast durchweg von der realen Gestalt abgelöst und verselbständigt in deutenden Hinweisen und mehr oder weniger abstrakten Analogien. Der Knabe Erdmann selbst führt ein vergleichsweise "natürliches" Leben. Das ist nun gewiß nicht ohne künstlerische Notwendigkeit geschehen. Der Autor holt die wunderbare Grabgeburt Erdmanns und die daran geknüpften Verheißungen im weiteren Verlauf der Romanentfaltung ganz ausdrücklich aus der Sphäre der vorgegebenen Wirklichkeit zurück und macht ihr eigentliches Wesen als rein geistige Schöpfung, die ihre Realität einzig im Medium der Sprache hat, bewußt. Damit aber offenbart Hauptmann zugleich die Verschiedenheit seiner eigenen Beziehung zu den beiden Hauptgestalten seiner Dichtung: Die Erlöserverheißung, die er dem Knaben Erdmann in der mythisch-symbolischen Erweiterung seiner "Realität" verband, war ein dichterisches Medium seines Glaubens an ein Zukünftiges, eine geistige Geburt der Hoffnung, nicht aber die konkrete Verbildlichung einer ihm als ein Gegenwärtiges gehörenden inneren Wirklichkeit. Die Gestalt des Paters Christophorus hingegen stellte eine sinnbildliche Erhöhung des Selbstverständnisses seiner eigenen geistigen Existenz und Aufgabe dar. (S. 232 f.)