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173 S. Originalleinen, Schuber.
Bemerkung:
Ein gutes und sauberes Exemplar. - Nr. 81 (von 500). - Vom Autor signiert. - Ein Forschungsreisender, ausgerüstet mit Augen und Verstand, mit Vorstellungsvermögen und Erinnerungen an Selbst- wie Fremderlebtes, bricht mit einer nicht zu besänftigenden Neugier in die eisigen Zonen auf, in denen unsere Zukunft zurechtgelegt wird. Er kehrt zurück mit Vexierbildern von schmerzender Deutlichkeit. Im Halbdunkel, in Regen oder Schnee ragt die Wand eines riesigen Zylinders auf. Künstlich erleuchtete Gänge, Abschnitte eines klaustrophobischen Labyrinths, die sich zu Sälen weiten, zwingen die Blicke des Reisenden bis in die äußersten Winkel. Unwetter über leeren Gebirgslandschaften - oder sind es Sandformationen bei ablaufender Flut? - bringen Erd- als Erosionsgeschichte ins Rutschen. Der Reisende - "falls diese Annahme beibehalten werden soll" - tastet das Unbekannte ab. Er ordnet zu, er verwirft und erprobt, Erinnerung und Vor-stellungen mobilisierend, eine neue Zuordnung und noch eine, um ein Bild endlich festzuhalten. Durch Schichten, Schneiden, Überblenden lädt sich das, was beschrieben wird, auf und beginnt zu strahlen. Kalt und menschenleer, wie die Forschungsziele sind, fallen die Spuren von Leben um so bestürzender ins Auge: der Kopf eines alten Mannes in der Pathologie; eine an den Kardiographen angeschlossene Katze; die auf einen Untersatz fixierte Ratte vor dem Tomographen. Lebendes tritt sterbend und getötet, als Objekt und als Opfer in Erscheinung, Reto Hännys Helldunkel zeigt: Die Apokalypse kommt nicht, sie ist schon da. An verbotenen und an öffentlichen Plätzen stößt der Reisende auf lauter "Stilleben", in denen sie siedet. Was zum Ende der Welt noch fehlt, ist nur, daß wir es bemerken - und aus diesem Aufschub, aus dieser Differenz bezieht der Beschreibungsfuror seine unerbittliche Energie. "Die Sprache langsam, schrittweise in die Wüste führen; die Syntax zum Schreien benutzen; dem Schrei eine Syntax geben", wie zwei Gewährsleute des Autors es formuliert haben. Unter "Chiaroscuro" findet sich in einem Lexikon: "Helldunkel, 1) malerisches Verfahren, das Weiß, Schwarz und die Zwischentöne einsetzt, um den allmählichen Übergang von Licht zu Schatten abzubilden in einer Weise, die Räumlichkeit suggeriert, Plastizität herstellt. 2) Wechsel von Licht und Schatten: )Man begann, im Helldunkel des Abends die ersten Häuser zu sehen.( 3) Dämpfung und Betonung von Tönen in Kompositionen oder Aufführung musikalischer Werke. " // "Der )Reisende(, früher bekannt als Visitator in Kafkas Strafkolonie, gerät hier selbst zwischen )Egge( und )Zeichner(. Das Urteil lautet auf vollständige Umsetzung eines Autors in einen topographischen Code. Und da derjenige, der es am Fleisch seiner eigenen Geschichte vollstreckt, ein blutiger Hoch-Alphabet ist, geht es dabei keineswegs stubenrein, dafür sozusagen verzweifelt musikalisch ab. Helldunkel ist ein Text, den ich in der heutigen deutschen Literatur nur an sich selbst zu messen wüßte, der Prozeßbericht einer Obsession für das Einfachste, das am schwersten zu machen ist. Eine Prosa, die nur in fulminanter Bewegung ihre Balance bewahrt, während sie den mitgenommenen Leser um die seine bringt; für ihn heißt es: fliegen oder abstürzen." Adolf Muschg. ISBN 3518406345