Beschreibung:

Ca. 140 S. mit zahlr. Abb. Originalleinen mit Schutzumschlag.

Bemerkung:

Sehr sauberes und frisches Exemplar. - Werkverzeichnis der Druckgrafik mit 146 notierten und abgebildeten Arbeiten. Die Veröffentlichung des druckgraphischen Schaffens von A. Thomkins breitet vor dem Betrachter eine Vielzahl unter einander sehr verschiedenartiger Abbildungen aus. Diese Vielfalt steht einer Identifikation des Künstlers mit einem fest zu umreissenden formalen Konzept entgegen. Und doch stellen sich bei genauerem Studium Schwerpunkte heraus, die in einem breit angelegten intellektuellen und künstlerischen Verarbeiten von phänomenalen Beobachtungen und Bemerkungen ein Kräftefeld fundamentaler Interessen um sich anlegen: Zahlreiche kleine Drucke (Nrn. 1-13), die nur in wenigen Abzügen vorliegen, belegen eine locker experimentelle Phase, mittels Strichzeichnung die Ausdrucksmöglichkeiten der Lithographie weiter zu erkunden. Es ereignen sich gestalterische Zufälle, die in Anbetracht ihres unvorhergesehenen Daseins aus der Abstraktion in Assoziations- oder gar Erfahrungsbereiche hineingehoben werden. Als letzte Stufe ergänzender Bearbeitung kann die Zuordnung des Bildtitels gelten, mit dem der Künstler selbst das Ergebnis seines Handelns bespricht. In ihnen entwickelt sich eine Analyse von totaler Abstraktion zur Figuration, wobei gerade die Übergänge von besonderem Erkenntniswert sind. Es kommt zu zeichnerischen Etüden in Schraffur, zur Darstellung abstrakter, eminent plastischer Gebilde, die auch architektonische Form annehmen und durch den Titel märchenhaft monumentalisiert werden können, wie beim "temple du capricorne" (Nr. 8). Es tauchen figürliche Motive auf, bis hin zu dem witzigen Blatt mit den Pfeifenköpfen (Nr. 19), die etwas verklemmt die Blicke wenden. Aufrichtigerweise geben einige Drucke auch die Schulung durch Max von Moos zu erkennen, bei dem A. Thomkins in Luzern an der Kunstgewerbeschule 1947 bis 1948 gezeichnet hat. Grundlagen graphischer Technik gehören zum Rüstzeug der Ausbildung, und die Lithographie hat A.Thom-kins nie aus dem Sinn geschlagen. Er lithographierte eine See-Hafen-Landschaft (Nr. 16), wo natürliche und architektonische Raumkörper, blanker See und nautische Konstruktionen auf überraschende Weise zueinander in Beziehung treten. Diese optische Verflechtung von Dingen, die gegenständlich nichts miteinander zu tun haben müssen, charakterisieren ein grundsätzlich formales Verlangen des Künstlers nach gesteigerter Simultaneität, die sich auch in ersten druckgraphischen Versuchen durchsetzt: Kaum eine durchgebildete Fläche, stattdessen Punkte, Striche, Linien, in reicher Registrierung, die ais Gruppen gegenständliche Vorstellungen evozieren und dem landschaftlichen Gesamteindruck zuspielen. Um 1953 entstanden lithographische Versuche in klei- nem Format, die konsequent von der Linie bestimmt werden. Das "Dorf zwischen Hügeln" (Nr. 15) bietet eine geometrisch organisierte Komposition architektonischer Flächen dar, die durch Schraffur, Rasterung oder Schwärzung zu Raumkuben werden, bevor sie sich in der ansteigenden Ferne immer mehr zu abstrakten Einheiten verselbständigen. Die sich andeutende Ordnung des rechten Winkels wird durchsetzt mit einigen bogenförmig geschwungenen Elementen, die konstruktiv wirken und zugleich vermitteln zu schwarzen amorphen Massengruppierungen und auf botanisches Leben, besonders im Mittelgrund, hinweisen. Eine Arbeit wie diese veranlasst den Betrachter leicht in der neueren Kunstgeschichte, etwa bei Derain, den Anschluss an stilistisch bedeutende Strömungen zu suchen, und der Untertitel "Kleine kubistische Landschaft" lädt durchaus dazu ein. Zugleich gibt sie charakteristische Züge der künstlerischen Konzeption wieder, die für das Gesamtwerk Bedeutung haben: Landschaft, plastische Raumkörper, Ordnung, Mutation derOrdnung, Gegenwartvon Gegenständen, Komposition von Wirklichkeiten, die Linie, Strukturen, Zeichnen auf dem Stein. So logisch diese Lithographie anfangs erscheinen mag, so bedacht wird das Zufällige in die Komposition mit hineingenommen: oberhalb eines waagerechten Schienenstrangs, der unter einem Gewölbe endet, da reisst eine Fläche ganz unberechenbar ab, wie beim zufälligen Verfall eines Gemäuers, hinter dem eine Vielfalt anderer Dinge sichtbar wird. Erfahrungen gehen in die Lithographie "Inkubus" (Nr. 23) von 1954 ein, die Flächenabschnitte von ganz unterschiedlicher Transparenz vereinigt, welche durch verschieden dichte, systematische Strukturierungen entstehen, teils sich linearen Begrenzungen unterwerfend, teils ohne Cloisonne aus sich selbst heraus eine offene Grenze bildend. Körperhafte Kompositionselemente durchdringen streckenweise offen oder auch unterschwellig den ganzen Bereich der kompositorischen Anlage. Punktreihen verlaufen wie Umrisslinien von Armen und Händen. Wölbungen und Falten, schraffierte Kreisscheibchen scheinen Sehkraft zu erlangen und aus dem Zusammenwirken von Linien, Punktierungen und Schraffuren geht ein untergründiges Lebendiges hervor, das den Betrachter zu verunsichern vermag. Diese Möglichkeit des Psychologierens, indem er gar Dämonisches heraufbeschwört, beschäftigt A. T. in dieser Zeit nicht zuletzt mit Blick auf die sich vor ihm auftuende Welt des Kindes, in der eine beängstigende Verunsicherung in befreite Heiterkeit umschlagen kann. ... (Frieder Mellinghoff)