Beschreibung:

Titel, (8), 141, (13) Seiten. Mit einigen Kopfstücken und Textvignetten in Holzschnitt. 8° (18x 11 cm). Brauner Halblederband der Zeit mit Lederecken und Kleisterpapierbezügen.

Bemerkung:

Gutes Exemplar der sog. Berthelsdorfer Reden des Gründers der Herrnhuter Brüder-Unität in der ersten Ausgabe. - "Bedeutsames Zeugniß aus den letzten Lebensjahren des Grafen" (Erich Beyreuther). - Bei vorliegendem Exemplar die 'Huldigungs-Rede, gehalten an die sämtliche zur Huldigung versamlete Unterthanen, am 31. Jul. 1756' nachgebunden statt - wie bei den meisten Exemplaren - zwischen Vorrede und Haupttext geheftet. - "Vom Anfange dieses Jahrs [1738] bis zu Ende August wohnte der Graf in Bertholdsdorf, und war sehr dankbar gegen den Heiland für die Gnadenarbeit, welche sich vor dreißig Jahren daselbst mit den Brüdern angefangen [...] Er machte allen Einwohnern des Orts Gelegenheit, Sonntags in seinem Hause ihn zu hören; und hielt ihnen sehr herzliche und gesegnete Reden. Diese Versammlungen wurden so heftig besucht, daß der Saal die Zuhörer nicht fassen konnte; und sie kamen nicht aus Neubegierde, sondern mit einem nach dem Evangelio hungrigen Herzen [...] Er bediente sich übrigens darinn solcher Worte und Ausdrükke, die seinen Zuhörern recht verständlich und faßlich waren" (Spangenberg, Leben Zinzendorfs 2043f.). - Besonders interessant die nachgebundene Dankrede an seine weltliche Untertanen anläßlich der Beerdigungs-Feierlichkeiten für seine am 19.07.1756 verstorbene Frau Erdmuthe Dorothea, die Zinzendorfs Gut Berthelsdorf verwaltet hatte. Die Rede zeigt Zinzendorf in seiner aristokratisch-weltlichen Rolle, nicht frei von paternalistischem Selbstbewußtsein, und enthält deutliche Worte: "Da mir vor fünf und dreißig Jahre gehuldiget wurde, so ist meine absicht nicht gleich auf führung des Regiments gegangen. Meine selige Groß-frau-mutter, die eure Herrschaft gewesen war, lebte noch, und ich konte mich darauf verlassen, solang sie in der welt war, des regiments überhoben zu seyn [...] Das Regiment über solche leibeigene unterthanen, die, wenn man sie auch los geben wolte, vielleicht nicht los möchten, ist eine schwere, verwikkelte und unangenehme sache, und von der art, daß man weder gutes, noch gut gemeintes thun kan, wie man will. Ich kan sagen, daß die bemühungen, die ich mir die ersten jahre gegeben habe, euch allenfalls nur im leiblichen glücklich zu machen, nicht die rechten gewesen sind. Man lernt eben immer, und ich glaube, daß ihr euch itzo besser befindet, da es nicht mehr so gar freygebig zugeht". - Zinzendorf stellt den Untertanen die Tochter Benigna Justine, verheiratet mit seinem engen Vertrauten Johannes von Watteville, als Nachfolgerin an die Spitze. Watteville besitze "neben seiner andern wissenschaft, auch eine erkenntnis von allen grossen und kleinen umständen eines Bauren, Gärtners und Häuslers" und werde, "wenn ihr ihm etwas vortraget, und von ihm verlanget, euch gleich mit aufrichtigkeit und herzlichkeit sagen können, ob euch selber damit gedient ist, oder nicht [...] Ob er nicht mit unter, auch eure seelen meinen, und deren bestes suchen wird, das will ich nicht in abrede seyn; aber ins leibliche wird er das nicht mengen, und eure seelen mit wohlthaten nicht erkauffen denken. Daraus entstehen unordnungen, die wir kennen". - Das Buch sollte "auch der Außenwelt den schönen Zusammenklang des evangelisch-lutherischen Kirchspiels Bertholdsdorf innerhalb der Sächsischen Landeskirche und der selbständigen, in enger Nachbarschaft mit ihr lebenden Gemeinde Herrnhut, die der Brüder-Unität angehörte, beweisen" (Erich Beyreuther). - Etwas berieben, oberes Kapital mit kleiner Fehlstelle. Hinterdeckel mit kleiner Wurmspur. - Vorderer Vorsatz sauber entfernt, Innendeckel leimschattig. - Gelöschter älterer Besitzeintrag auf Titel. - Eine Lage gelockert. - Seitenränder etwas gebräunt, gelegentlich leicht fleckig. - Insgesamt durchaus gut erhalten. - Meyer, Bibliogr. Handbuch Zinzendorf-Forschung A 213. - VD18 11249374. - BBKL XIV, 509ff. - Realencyklopädie³ XXI, 679ff.